Der letzte Krieger: Roman
gestoßen waren, kam ihnen die daranische Ebene wie leer gefegt vor, obwohl das Land hier fruchtbarer war und reichlich Nahrung bot.
Die ständigen Unwetter spülten Wegbefestigungen fort und hinterließen schlammige Pfade, in denen jeder Karren stecken geblieben wäre. Athanor und die Elfen hielten sich auf trockenem Grund, sodass sie dennoch gut vorankamen. Abseits der Wege im Wald zu wandern fiel ihnen ohne die Packtiere sogar leichter. Es nagte an Athanor, dass er das Muli verloren hatte, aber er hoffte, in den Elfenlanden eine angemessene Entschädigung zu erhalten. Das war das Mindeste, was ihm die Elfen für ihren Verrat schuldeten.
Dank Elanyas Heilzauber hatte Davaron sie nicht aufgehalten. Mittlerweile merkte Athanor ihm nicht einmal mehr Schwäche an. Nur die gelegentlichen Flüche, wenn Davaron aus Gewohnheit versuchte, seine fehlende Hand zu gebrauchen, riefen ihm die Verletzung ins Gedächtnis.
Da die daranische Ebene einst so viele Menschen ernährt hatte, erhoben sich am Wegrand besonders häufig die Überreste niedergebrannter oder verlassener Dörfer. Einst hatte Athanor jedes Mal, wenn er an leer stehenden Häusern vorbeigelaufen war, insgeheim erwartet, dass jeden Augenblick jemand auftauchte – die Hausherrin, ein Kind, ein Stallknecht. Stattdessen war er höchstens auf jagende Orross oder Orks gestoßen. Doch nun merkte er, dass er nichts mehr erwartete. Die Häuser waren nur noch leere Gemäuer für ihn. Dass auf den Schwellen Unkraut spross und die Fensterläden schief in den Angeln hingen, fiel ihm nur noch auf, wenn er darüber nachdachte.
Als sie gegen Abend ein weiteres verlassenes Dorf erreichten, braute sich am Horizont bereits ein neues Gewitter zusammen. »Für die Nacht sollten wir hierbleiben«, schlug er mit einem Blick zu den dunklen Wolkentürmen vor.
Elanya nickte. »Gut. Vielleicht finde ich sogar etwas Leim, der noch nicht vertrocknet ist.«
Athanor zweifelte daran, aber da sie keine Zeit hatten, um Leim zu kochen, und Elanya neue Pfeile brauchte, konnte es nicht schaden, die Augen offen zu halten. Bevor sie sich für ein Gebäude als Unterschlupf entschieden, empfahl es sich ohnehin, einen Blick in jedes der mit Schilf gedeckten Häuser zu werfen. Auch wenn sie bislang keinem Ungeheuer mehr begegnet waren, mussten die Biester irgendwo sein.
Davaron setzte sich schweigend auf den Rand eines ausgehöhlten halben Baumstamms, der einst als Viehtränke gedient hatte. Warum er sich nie daran beteiligte, in den Ruinen nach brauchbaren Dingen zu suchen, konnte Athanor nicht einmal raten, und es war ihm zu gleichgültig, um danach zu fragen. Haus für Haus ging er das kleine Dorf ab. Herrenloses Vieh und Wild hatten die geflochtenen Zäune eingerissen, um an die Früchte in den verwilderten Gärten zu gelangen. Überall bröckelte der geweißte Putz von den Wänden aus Flechtwerk und Lehm. Für ihre strahlend weißen Häuser war die daranische Ebene fast so berühmt gewesen wie für ihre reichen Ernten. Bald würde nichts mehr davon übrig sein.
Die meisten Türen und Fenster standen offen. Athanor hatte sich schon oft gefragt, ob die einstigen Bewohner aus den Häusern gezerrt worden oder davongerannt waren, ohne sie zu schließen. Dennoch roch es innen oft modrig, manchmal auch nach Fledermauskot, der den Boden bedeckte, obwohl Athanor keines der Tiere entdecken konnte. Viele der kleinen Häuser besaßen ohnehin nur ein Stockwerk, auf dem direkt das Dach saß. Dort hatte sich einst der Rauch des Herdfeuers gesammelt und die Balken geschwärzt. Tische, Bänke und Schemel standen oder lagen herum. An den Wänden hingen Töpfe und getrocknete Kräuterbüschel. Reisigbesen lehnten von Spinnen eingewoben in dunklen Ecken, Kessel standen über alter Asche, als sei noch gestern in ihnen gekocht worden. In Regalen fand sich Keramik, wenn sie nicht in Scherben am Boden lag.
Athanor öffnete jede Truhe, die er fand, – wenn es nötig war, auch mit Gewalt. Je länger der Krieg zurücklag, desto seltener stieß er dabei auf brauchbaren Proviant. Kornkäfer hatten fast jedes Getreidekorn ausgehöhlt. Maden wanden sich in spärlichen Mehlresten, und in vielen Kisten hausten Mäuse, hatten alles Genießbare gefressen und den Rest in Fetzen für ihre Nester zernagt. Der Inhalt war mit Urin getränkt und von schwarzem Mäusekot durchsetzt, doch daran störte sich Athanor nicht. Da die meisten Flüchtlinge alles mitgenommen hatten, was ihnen wertvoll erschienen war, gab es wenig genug zu
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