Der letzte Krieger: Roman
sogar jene Höfe verlassen sind, die nicht Opfer der Flammen wurden.«
»Weshalb am Ende auch Theroia brannte?« Athanor setzte ein grimmiges Lächeln auf. Den wahren Grund konnte ein Mann aus Letho nicht wissen, doch er würde eine Meinung dazu haben: »Die Götter haben es für seine Taten gerichtet.«
Der Älteste nickte nachdenklich. »Der Wille der Götter hat schon so manchen Plan vereitelt. Uns interessiert jedoch viel mehr, wie sie es tun. Was mag die Drachen bewogen haben, sich plötzlich gegen ihre Verbündeten zu wenden?«
»Brauchen grausame Ungeheuer dafür einen Grund?« Jedenfalls haben sie sich nicht die Zeit genommen, ihn zu erläutern, bevor sie die Stadt in Brand setzten.
»Ganz offensichtlich ist dieser Mann als Zeuge wenig hilfreich«, murrte Kavarath. »Wenn wir etwas über Theroia erfahren wollen, werden wir einen Theroier fragen müssen.«
Athanor lächelte ihm säuerlich zu. Viel Erfolg bei der Suche.
»Es gibt genug andere Rätsel, die es zu lösen gilt«, befand Peredin und wandte sich wieder an Athanor. »Erzählt uns einfach, was geschah und wie Ihr entkommen seid.«
Wie war es in Letho gewesen? In seiner Erinnerung verschwammen die Märsche und Schlachten, die brennenden Städte und Dörfer wie in einem zu langen Traum. »Wir marschierten dem theroischen Heer entgegen. In den alten Tagen war es klüger, den Feind bereits an der Grenze aufzuhalten. Dafür hatten wir Wälle und Gräben und verschanzten uns dort. Gegen die Krieger hätten wir vielleicht bestehen können, doch es kam anders, als wir erwartet hatten. Drachen flogen herbei. Sie hüllten uns in ihr Feuer, und die theroischen Krieger stürmten durch die Lücken, die ihre Bestien ihnen brannten. Ich kämpfte in der Schlacht und überlebte, aber die Theroier glaubten, ich sei tot und ließen mich in einem Graben liegen. Um mich herum hielten die Todesfeen ihr grausiges Mahl.« Ihre zänkischen Schreie gellten wieder in seinem Ohr, mischten sich mit dem Stöhnen der Sterbenden. Schattenhafte Gestalten beugten sich gierig über reglose Körper. Er konnte es riechen, das Blut, den Gestank aufgeschlitzter Gedärme.
»Athanor?« Elanyas Stimme durchbrach den Bann.
Er hatte nie in einem Graben gelegen, aber er war über Schlachtfelder gewankt, um nach verwundeten Freunden Ausschau zu halten. Rasch versuchte er, sich auf die erfundene Geschichte des Mannes aus Letho zu besinnen. »Entschuldigt. Ich …«
»Ihr wurdet von der Erinnerung überwältigt«, stellte Peredin mit verständnisvoller Miene fest. »Ihr sagt, dass die Theroier Euch übersahen, weil sie Euch für tot hielten. Habt Ihr Kunde, was mit den anderen Verwundeten geschah? Wohin die Gefangenen gebracht wurden?«
»Es gab keine Gefangenen. Die Theroier haben alle getötet.«
Entsetztes Raunen ging durch die Versammlung der Elfen. Elanya biss sich auf die Unterlippe. Athanor folgte ihrem Blick zu einer anderen Elfe auf der Bank hinter den Ehrenplätzen der hohen Würdenträger, doch die Unbekannte schien Elanyas Blick nicht zu erwidern. Irgendetwas stimmte nicht mit ihrem Gesicht. Es war zu starr, zu … Es ist eine Maske.
»Die Menschen sind wahrlich schlimmer als jedes wilde Tier«, entrüstete sich die alte Elfe auf dem Sitz rechts neben Peredin.
»Wir sollten froh sein, dass sie vernichtet wurden!«, rief jemand aus der Menge. Weitere Stimmen wurden laut, weshalb der Älteste erneut Ruhe einfordern musste.
Worüber regen sie sich so auf? Ob man auf dem Schlachtfeld Gefangene machte, um sie später gegen Lösegeld oder eigene Leute auszutauschen, oder nicht, hing von der Art des Feldzugs ab. Wenn es nur darum ging, Ruhm und Reichtum zu erwerben, konnte man die Besiegten getrost am Leben lassen. Aber um ein Volk zu unterwerfen, war es klüger, die Krieger zu töten. Sonst riskierte man nur neue Kämpfe und Widerstand.
»Fahrt bitte fort«, forderte Peredin, als wieder brüchige Ruhe eingekehrt war. »Was geschah dann?«
»Die Theroier marschierten weiter, doch einige Drachen zogen noch tagelang ihre Kreise am Himmel. Wo sie ein Dorf oder einen Bauernhof sahen, stießen sie nieder und verbrannten die Häuser samt ihrer Bewohner. Wer floh, wurde von ihnen verfolgt. Wer es bis in die Wälder schaffte, irrte umher und suchte Unterschlupf. Es gab keinen sicheren Ort, zu dem sich die Flüchtlinge hätten durchschlagen können. Kamen zu viele von ihnen zusammen, wurde ihr Lager von den Drachen entdeckt. Blieb man allein in der Wildnis, kamen die Rokkur – und
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