Der letzte Krieger: Roman
gesehen, um noch daran zu glauben.
Peredin wartet. Für trübe Gedanken war keine Zeit. Er warf die Robe von sich und stürmte nach nebenan. Elanya saß auf der steinernen Bank, die in einem Halbkreis den niedrigen Tisch umgab. Der Steinmetz hatte die Lehne so kunstvoll durchbrochen und behauen, dass sie aussah, als wäre sie aus Ästen geflochten. Beim ersten Hinsetzen hatte Athanor nicht gewagt, sich anzulehnen. Zu zerbrechlich wirkte das Gebilde. Zart wie die Elfe, die keine solchen Bedenken zu haben schien.
»Oh«, entfuhr es ihr bei seinem Anblick. Ihr überraschtes Lächeln ließ Athanor innehalten. »Die Haare …«, begann sie und malte mit dem Finger einen Kreis vor ihrem Mund. »Sie sind weg.«
»Ja. Ich habe mir den Bart geschoren. Vielleicht trägt es dazu bei, dass mein Haarwuchs nicht das Gespräch des Abends wird.«
Elanya lächelte noch breiter. »Ich fürchte, dafür ist es zu spät. Aber wenn du in diesem Tuch vor die Versammlung treten willst, musst du dir darüber keine Sorgen mehr machen.«
»Vermutlich.« Er merkte, dass er auf ihre Brüste starrte, die sich unter ihrem Kleid abzeichneten, und eilte zu seinem Gepäck. Sie war nicht zu seinem Vergnügen hier, sondern um ihn zu Peredin zu bringen.
»Du hast schon einige Narben davongetragen«, stellte sie fest, während er das Hemd suchte und aus der Packtasche zerrte. Verschämt war sie also nicht, wenn sie ihn so neugierig musterte. Oder lag es daran, dass auch sie ihn für ein Tier hielt?
»In den Ländern der Menschen herrschte Krieg«, erwiderte er nur und zog das Hemd über.
»Keine Waffen«, sagte sie, als er den Gürtel umlegte.
»Nicht einmal das Messer?«
Sie schüttelte den Kopf. »Niemand trägt Waffen in der Versammlung. Sie sind das Werkzeug des Nichts.«
»Des Nichts?«
»Sie meint den Herrn der Schatten«, erklang Davarons Stimme von der Tür her.
Athanor fuhr herum. Der Elf steckte noch immer in seiner Rüstung, auch wenn er keinen Helm mehr trug. Das dunkelblonde Haar hatte er sich streng aus dem Gesicht gekämmt, doch sein Blick war unvermindert düster.
»Und was ist mit ihm?«, wollte Athanor wissen und nickte in Richtung des Schwerts, das an der Seite des Elfs hing.
»Eine gute Frage. Was hat das zu bedeuten, Davaron?«
»Eine Vorsichtsmaßnahme. Peredin hat zugestimmt.«
»Aber das ist …«
Der Elf schnitt ihr das Wort ab. »Du kennst die Menschen nicht, Elanya. Du weißt nicht, wie niederträchtig sie sind.«
Athanor ballte die Fäuste. »Ach ja? Und woher willst du das wissen?«
Kühl erwiderte Davaron seinen Blick. »Ich habe eure Länder lange genug bereist, Mensch. Mir sind dort mehr Schandtaten begegnet, als ich mir je hätte ausmalen können.«
Sieh an. Wir dürfen euer Land also nicht einmal betreten, aber ihr treibt euch unerkannt bei uns herum.
4
Die Halle, in der Peredin Athanor erwartete, sah dem Gästehaus sehr ähnlich, obwohl sie ungleich größer war. Schon aus der Ferne fiel die enorme Höhe der Bäume auf, die die acht Ecken der Halle bildeten. Ihre Kronen verbanden sich zu einem riesigen, silbrig schimmernden Dach. Auch die Wände ähnelten jenen des kleineren Hauses, doch es gab viel größere und zahlreichere Fenster, die durch kunstvoll gearbeitete Gitter aus Holz verschlossen waren. Die Gitter erinnerten Athanor an itharische Spitze, aus der sich die reichsten Frauen Theroias kostbare Schleier anfertigen ließen.
An ihren Grenzen stehen Ruinen, und ihre Städte sind nichts als Wälder. Er hatte keine Andeutung eines Walls um die Gärten gesehen, nichts, das auch nur annähernd als Bollwerk gegen feindliche Heere durchging. Wie konnte es diesen Ort immer noch geben, während all die Mauern und Türme der Menschen in Schutt und Asche lagen?
Elanya trat vor ihm über die Schwelle des schmalen hohen Tors und wartete dort auf ihn. Er bemühte sich, Davaron in seinem Rücken und die Blicke der gaffenden Elfen zu vergessen, doch es gelang ihm nicht ganz. Auch das Innere der Halle erinnerte entfernt an das Gästehaus, denn drei Reihen Steinbänke umgaben halbkreisförmig das Zentrum des Saals. Ihnen fehlte jedoch die filigrane Rückenlehne, weshalb sie robuster und schlichter wirkten. Unter den vielen Elfen war ohnehin kaum noch etwas von ihnen zu sehen. Sämtliche Plätze schienen besetzt. Wo noch Elfen in die Halle passten, drängten sie sich im Stehen, und alle Versammelten redeten durcheinander. Nach so vielen Monden in der Stille der Wildnis kam es Athanor vor, als summe ein
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