Der letzte Krieger: Roman
eine Bedeutung zu geben. Ohne es recht zu bemerken, nahm er einen Stock und stocherte damit im Feuer herum. »Wenn es noch Gelehrte gäbe, um unsere Geschichte aufzuschreiben, würden sie meinen Vater in ihren Berichten sicher nicht als gerechten König preisen. Er war ein starker König, er regierte mit harter Hand. Das Volk jubelte ihm zu, weil er ihm ein prächtiges Schauspiel bot. Aber es ging ihm immer nur um sich, um seine Macht, seinen Ruhm. Er wollte das Alte Reich wiedervereinigen, um als neuer Kaysar gefeiert zu werden. Dann hätte er über alle Menschen von hier bis zum Fallenden Fluss geherrscht.«
»Dann mochtest du ihn nicht, weil er ganz anders war als du?«
»Ha! Einen Scheiß war ich!« Athanor rammte den Stock in die Glut und ließ ihn dort. »Ich war ganz genauso wie er. Alles musste sich um mich drehen. Ich konnte ihn nicht leiden, weil er der Einzige war, der mich nicht beachtet hat. Er war immer viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, und ich mit mir. Glaub nicht, dass ich das hier tue, weil ich so ein gerechter, freundlicher Mann bin. Es geht mir nur um mich. Ich will, dass sich die Welt an mich erinnert, und wenn ihr überlebt, werdet ihr das tun. Genau wie die Elfen. Auch wenn sie mich wohl eher als den großen Verräter in Erinnerung behalten werden. Na, was auch sonst. Davaron werden sie als Propheten feiern. Er hat’s von Anfang an gewusst. Menschen kann man nicht vertrauen.«
Orkzahn schwieg. Eine Weile war nur das Raunen der dunklen Stimmen an den anderen Feuern und das Knistern der Glut zu hören. »Mir ist egal, warum du uns befreit hast«, sagte er schließlich. »Es war ein großes Wagnis. Du hast es auf dich genommen. Du hättest auch andere Wege gehen können, um Ruhm zu erlangen. Aber du hast uns gewählt.«
Wenn es dir damit besser geht. Trolle waren wirklich wie Menschen. Wenn sie einen Helden sehen wollten, bastelten sie ihn sich zurecht. Wahrscheinlich hätte er Orkzahn erschlagen müssen, um ihn eines Besseren zu belehren.
»Wie war es, ein Freund der Drachen zu sein?«
Überrascht sah Athanor Orkzahn an. Wollte er ihn auf den Arm nehmen? Sticheln? Doch der Troll sah nur neugierig aus. »Sie waren nicht mit uns befreundet. Sie haben uns für ihre Zwecke eingespannt und uns glauben lassen, sie würden unseren Zielen dienen. Dass wir ihnen das jemals abgenommen haben …« Athanor schüttelte den Kopf. »Wir waren taub und blind in unserer Gier.«
»Sie waren mächtige Verbündete. Es war klug, ihr Angebot anzunehmen. Du konntest nicht wissen, dass sie lügen.«
Gereizt stieß Athanor die Luft aus. »Doch, das hätte ich wissen können – und nicht erst, als mich meine Schwester beschwor, die Augen zu öffnen. Sie waren so mächtige Verbündete, dass wir Angst vor ihnen hatten. Wir wollten es uns nicht eingestehen, aber wenn ich heute darüber nachdenke … Sie konnten tun, was sie wollten. Wir wagten es nicht, ihnen Befehle zu erteilen, die sie zuvor nicht selbst vorgeschlagen hatten. Wir wollten daran glauben, dass sie es gut mit Theroia meinen, so wie du glauben willst, dass ich ein Held bin. Von Anfang an hätten mir ihre Schmeicheleien verdächtig vorkommen müssen. Sie hatten überhaupt keinen Grund, sich mit uns zu verbünden. Das bisschen Land, das Gold, das sie für sich forderten, sie hätten es sich jederzeit nehmen können. Soll ich dir sagen, was der wahre Grund für dieses Bündnis war?«
Er ließ Orkzahn keine Zeit zu antworten. »Wären sie einfach so über uns hergefallen, hätten sich die Könige der Menschen vielleicht vereint, um den gemeinsamen Feind zu bekämpfen. Zusammen wären wir vielleicht stark genug gewesen, um einige von ihnen mit in den Tod zu nehmen. Aber durch das Bündnis … Gerissen, nicht wahr? Sie haben uns dazu gebracht, uns mit ihrer Hilfe gegenseitig abzuschlachten, bis nur noch Theroia übrig war. Und dann zeigten sie ihr wahres Gesicht.«
Orkzahn nickte. »Sie sind listig wie Elfen und heimtückisch wie Oger.«
Ja, die Drachen haben wohl auch gewusst, dass ihnen die Elfen an Hinterlist ebenbürtig sind.
»Wie bist du entkommen?«, wollte Orkzahn wissen. »Warst du ihnen als Anführer der Menschenkrieger nicht besonders nah?«
»Wenn ich dir das erzähle, wirst du mich für einen feigen Schwächling halten.«
Der Troll grinste. »Ich weiß, dass du feige bist. Du willst die Heilerin, aber du nimmst sie dir nicht.«
»Verdammt«, lachte Athanor. »Das ist selbst dir aufgefallen, ja? Was würdest du an meiner Stelle
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