Der letzte Krieger: Roman
Vindur folgte ihm wie ein Schatten.
Die hulrat trippelte furchtlos vor ihnen in die Dunkelheit. Hinter ihnen reihte sich Gunthigis ein. Die abgewetzten Stufen waren so tückisch, dass Hrodomar darauf achten musste, wohin er seine Füße setzte. Bald bog die Treppe scharf ab, um kurz darauf in einen Gang zu münden, der nach links und rechts führte. Die hulrat folgte ihm nach kurzem Zögern in eine Richtung, doch Hrodomars Blick blieb an der gegenüberliegenden Wand hängen. Sie war nur hüfthoch, und zwischen dieser Mauer und der Decke befand sich nichts als Schwärze. Ein Durchbruch in einen größeren Raum, den die niedrige Mauer abtrennte? Seine Schritte hallten hier auch ganz anders.
Neugierig, aber wachsam trat er an die aus dem Fels gemeißelte Mauer. Die Decke endete über ihm. Geräusche vor ihm, nein, unter ihm vermischten sich mit den Schritten seiner Begleiter auf der Treppe.
»Eine Empore?«, staunte Vindur.
»Wie für den König im Tempel des Großen Baumeisters«, bestätigte Hrodomar.
Gunthigis trat neben sie und hob seine Laterne über die Mauer. Ihr Schein verlor sich in einem hohen, aber schmalen Saal, dessen Wände gerade noch zu erahnen waren. Schilde und goldbestickte Banner glänzten matt vom Staub der Jahrhunderte. Hrodomar beugte sich vor und blickte nach unten. Totenbahre an Totenbahre stand dort aufgereiht, so zahlreich, dass sie sich in der Dunkelheit verloren. Auf einigen lagen noch Leichen. Andere erhoben sich gerade, beugten ausgetrocknete Glieder, die barsten und dennoch gehorchten. Viele besaßen nichts als die ausgeblichenen Kleider an ihrem Leib. Doch die Krieger griffen stumm nach ihren Waffen, packten die Schilde, die ihr stolzes Wappen zierte. Keiner von ihnen sah nach oben. Wie von einem stummen Befehl gerufen, zogen sie in die Finsternis jenseits des Lichtscheins.
Athanor ritt an den Trollen vorüber, die sich in zwei Reihen hintereinander aufstellten. Orkzahn schritt hinter ihm her, schuf Ordnung, wo sich seine Männer darum prügelten, wer vorn stehen durfte. Endlich standen sie halbwegs auf Lücke, wie er es ihnen erklärt hatte. Die hintere Reihe sollte jene Untoten abfangen, die die vordere durchbrachen. Athanor hoffte, dass auf diese Art kaum noch Gegner bis zu den zaubernden Elfen vordringen würden. Mehr konnte er zu ihrem Schutz nicht tun.
Er hielt sein Pferd mitten vor den Trollen und zog sein Schwert. Die wenigen sichtbaren Sterne im Süden verrieten, dass sich die Nacht ihrem Ende zuneigte. Es wurde Zeit. »Eure Entschlossenheit und euren Mut zu sehen, erfüllt mich mit Stolz«, rief er und lenkte damit alle Blicke auf sich. »Im Krieg der Menschen habe ich an der Seite vieler tapferer Männer gekämpft. Und ich habe gesehen, wie sie starben. Ich habe beim Heiligen Hain der Faune mit einigen von euch gekämpft. Und auch dort sah ich Einzelne sterben. Aber nie zuvor habe ich eine so starke Streitmacht gesehen wie euch, die ihr jetzt vor mir steht. In euren Augen sehe ich keine Furcht vor dem Tod, und deshalb wird er euch nichts anhaben können!«
Die Trolle brachen in zustimmendes Gebrüll aus und schlugen ihre Speere und Keulen aneinander.
Athanor wartete einen Augenblick, dann hob er das Schwert, bis wieder Ruhe eingekehrt war. »Hinter diesem Fluss wartet ein Gegner, der auf dieser Welt nichts zu suchen hat. Wir sind die Lebenden. Diese Welt gehört uns!«
Erneut brandete Jubel auf. Waffen klapperten in bedrohlichem Takt.
»Zeigen wir diesen Toten, dass ihre Zeit vorüber ist. Schicken wir sie in die Schatten, aus denen sie gekrochen sind. Jagt sie in ihre Gräber zurück!« Unter dem Kampfgebrüll der Trolle stieß er seine Klinge in die Höhe und deutete zum Fluss.
Die Trolle setzten sich in Bewegung. Athanor galoppierte voran. Wasser spritzte bis zu ihm hinauf, als sein Pferd in den Sarmander sprang. Mit kraftvollen Sätzen kämpfte es sich vorwärts. Er hatte diese Furt absichtlich gewählt, doch der Regen hatte den Fluss selbst hier so tief gemacht, dass die Fluten dem Pferd bis zur Brust reichten.
Hinter ihm rauschte das Wasser unter dem Ansturm der Trolle, als stürze es einen Berg hinab. Sie waren so groß, dass Schlamm und Fluss sie kaum aufhielten. Fast holten sie ihn ein, bevor sein Pferd wieder festeren Boden fand und das Ufer hinaufsprang.
Er trieb es weiter, auf Theroia zu, das noch immer im Dunkel verborgen war. Kein Untoter wachte hier. Keine Vorhut stellte sich ihnen in den Weg. Doch gerade deshalb war Athanor sicher, dass sie ihn
Weitere Kostenlose Bücher