Der letzte Krieger: Roman
zahllosen Wunden an einem anderen Ort erlegen wäre, hätte man sie nicht hergebracht, um sie so verdreht hinzuwerfen. Auf dem Podest waren noch Blutflecken zu erkennen, und die Leiche hatte gerade erst begonnen, auszutrocknen.
»Ob sie die Toten geweckt hat?«, rätselte Vindur.
»Dann hat sie ihre verdiente Strafe bekommen!«, befand Gunthigis.
»Vielleicht war sie auch aus demselben Grund hier wie wir«, hielt Hrodomar dagegen. »Und wenn wir uns nicht beeilen, liegen wir womöglich auch bald auf diesem Tisch.«
Gunthigis grunzte zustimmend, während sich Hrodomar bereits umsah. Es gingen so viele Türen und Durchgänge von diesem Saal ab, dass er nicht einmal wusste, wo sie anfangen sollten, nach einem Ausgang zu suchen.
»Männer, legt die Spieße weg!«, rief der Hauptmann so laut, dass Hrodomar zusammenzuckte. »Jeder nimmt sich eine Tür vor. Wer eine Treppe findet, die nach oben führt, melden!«
Sofort verteilten sich die Wächter in der Halle.
»Musste das so laut sein?«, zischte Hrodomar. »Wir sind hier alles andere als sicher.«
Gunthigis winkte ab. »Über die Kerle mache ich mir wieder Gedanken, wenn sie zurückkommen. Ich will endlich aus diesen Grabstollen, bevor uns das Öl ausgeht.«
»Hier ist keine Treppe, aber ein Gang, aus dem frische Luft kommt«, rief jemand.
»Den nehmen wir«, beschloss Gunthigis. »Kommt!« Er marschierte so rasch voran, dass Hrodomar und Vindur beinahe rennen mussten, um nicht abgehängt zu werden. Auch die hulrat schnüffelten aufgeregt und drängten dem unscheinbaren Ausgang entgegen.
»Was hast du gefunden?«, fragte Hrodomar Horgast über die Schulter. Auch er wollte nicht von den vielen Untoten überrascht werden, aber es reute ihn doch, diese alten Hallen nicht weiter erforschen zu können.
»Einen Grabstollen«, schnaufte der Alte. »Genau wie der, aus dem wir kamen.«
»Sag jetzt nicht, dass du hierbleiben und den Dingen auf den Grund gehen willst«, mahnte Vindur scherzhaft, doch seine Augen verrieten echte Sorge.
»Nein, nein«, wehrte Hrodomar ab, während er insgeheim seufzte. »Schwing lieber die Keulen, sonst überholt dich der alte Horgast noch!«
»Ich zeig euch gleich, wer hier alt ist«, schimpfte Horgast und hob drohend seine Axt.
Vor ihnen stieß Gunthigis auf eine Treppe und eilte empor. Es folgten weitere Gänge, Stufen, Abzweige, Kreuzungen, doch nichts hielt den Hauptmann länger als ein, zwei Augenblicke auf. »Immer der Nase nach, Männer!«
Es ging stetig bergauf. Von den vielen Stufen wurden Hrodomars Beine schwer.
»Kannst du noch?«, keuchte Vindur, der selbst japste, als ob er gleich zusammenbräche.
»Ich werde ja wohl noch den Alten abhängen«, gab Hrodomar zurück.
Hinter ihnen ertönte nur ein zorniges atemloses Knurren.
»Achtung!« Gunthigis hielt so unvermittelt an, dass Hrodomar gegen seine Schulter prallte.
»Was …« Nach Luft schnappend sah er den Gang entlang. Vor ihnen schimmerte ein helles Rechteck. Ein Ausgang! Oder ein beleuchteter Raum. Doch vor dem Licht zeichneten sich dunkle Gestalten ab, die auf sie zukamen.
»Untote!«, rief Gunthigis atemlos.
Hrodomar zählte mindestens sechs oder sieben. »Das sind zu viele für uns.«
»Das werden wir ja sehen«, tönte Vindur. »Die halten uns jetzt nicht mehr auf.«
»Jawohl!«, stimmte Gunthigis ein. »Drachenspieße, Männer! Wir rammen uns den Weg frei!«
29
Kämpfend wichen die Untoten zurück, doch immer mehr von ihnen drehten sich einfach um und hasteten über die Bresche. Unter triumphierendem Gebrüll rückten die Trolle nach. Zurück blieben nur die Gefallenen.
Rasch wandte Athanor den Blick nach vorn. Er wollte nicht sehen, wen es erwischt hatte. Nicht jetzt. Die Lebenden brauchten ihn. Mit neuem Mut warfen sich die Trolle auf den Gegner, trampelten Fliehende einfach nieder, obwohl die Zertretenen hinter ihnen wieder aufstanden.
»Konzentriert euch auf die!«, rief Athanor den Elfen zu. »Die fallen uns sonst in den Rücken!«
Feareth, der sich unter den vordersten Kriegern befand, nickte ihm zu und gab den Befehl weiter. Längst waren den Elfen die Pfeile ausgegangen. Wer noch zaubern oder nur kämpfen konnte, lenkte Wiedergänger von den Feuermagiern ab, die blaue Flammen unter den Feinden schürten.
Die Trolle hatten den Fuß der Mauer erreicht und drängten die Bresche hinauf. Dort war es so eng, dass sie sich gegenseitig in die Quere kamen. Erleichtert entdeckte Athanor Orkzahn unter ihnen. Sein Freund brüllte Befehle, ordnete
Weitere Kostenlose Bücher