Der letzte Krieger: Roman
zurück!«
Für eine scheinbare Ewigkeit erwiderte Mahalea kalt seinen Blick, dann nickte sie. »Du hast recht. Kavarath ist es nicht wert, dass wir …«
Ein lautes Fauchen unterbrach sie. Alle wandten sich dem Geräusch zu, das aus den Baumkronen kam. Prasseln und Knistern folgten, als ganze Äste in blauen Flammen aufgingen. Pferde rasten davon. Schreiende Elfen liefen durcheinander. Einige halfen Verwundeten auf, andere trugen Schwerverletzte weg.
»Tiefer in den Wald!«, rief Mahalea. »Verteilt euch! Verteilt euch! Ich werde Kavarath den Trollen überlassen«, versprach sie Athanor und lief hinter ihren Leuten her. Therianad hastete den Heilern zu Hilfe, Merava humpelte an ihrem Stock davon. Schon stand nur noch Davaron neben Athanor. Der Elf sah ihn an, ohne das magische Feuer zu beachten, das einen ganzen Baum erfasst hatte. »Deine Ahnen also … Ziemlich weit weg von Letho für eine Familiengruft.«
Verdammt! Wie hatte ihm das herausrutschen können?
»Ich frage mich nur … Wenn du Theroier bist, warum greifen dich die Untoten dann an?«
Tja. Wenigstens darauf hatte er eine Antwort. »Weil ich ein Verräter war.«
Ein Rauschen in den Baumkronen verriet, dass der Drache erneut über den Wald fegte. Aus einiger Entfernung drang das Fauchen großer Flammen und das Brüllen eines Trolls herüber.
»Ein Verräter?«, wiederholte Davaron mit einem Anflug von Vergnügen. »Wie das?«
»Auf meiner Flucht …« Warum erzähle ich das ausgerechnet ihm? Doch er hatte so lange geschwiegen, dass es gleichgültig war, wer ihm nun zuhörte. »… bin ich anderen begegnet, Familien, Einzelgängern. Ich habe mich niemandem angeschlossen. Ich wusste, dass sie mich nur aufhalten würden. Und dann war da diese Gruppe, ein halbes Dorf. Ich setzte mich von ihnen ab, schlug einen anderen Weg ein, wie immer. Und dann kam diese Rotte Orross.« Er sah die hässlichen Biester wieder vor sich, halb Eber, halb Bär. Von einem Hügel aus hatte er sie entdeckt, doch der Wind trug ihnen seine Witterung zu, und die Hatz begann. »Ich wusste keinen anderen Weg, um sie loszuwerden. Ich habe sie direkt zu ihnen geführt.«
Schon die Tatsache, dass ich als Einziger überlebt habe, beweist, dass ich ein Verräter bin. Der Regen hatte das Laubdach über Athanor längst durchtränkt und tropfte auf ihn herab, doch er nahm es nur am Rande wahr. Welche Rolle spielte es, ob er nass oder trocken, ob ihm warm oder kalt war, solange ein untoter Drache am Himmel seine Kreise zog? Orkzahn saß in der Nähe unter einem anderen Baum und brütete ebenso düster vor sich hin. Der Regen spülte das Blut von seinem Leib, aber die Wunden blieben. Irgendwo in der Nähe ertönte das Lärmen der Zwerge, die unter Einsatz ihres Lebens einen der Trosskarren in die Deckung des Walds gezogen hatten, und seitdem unablässig hämmerten, Holz hackten und mit gedämpften Stimmen zankten.
Von den Elfen hörte Athanor nur noch Weinen und Wehklagen. Es war schwer zu ertragen, aber konnte er ihnen einen Vorwurf machen? Fast die Hälfte von ihnen war gefallen oder verwundet. Und als wäre die Lage nicht schlimm genug, machte nun auch noch die Wahrheit über die Gründe für diese vielen Toten die Runde. Er konnte in ihren Mienen lesen, wie sehr es sie erschütterte.
Als Orkzahn wieder aufgetaucht war, hatte kein Elf gewagt, nach Kavaraths Schicksal zu fragen, und Athanor war es gleich. Vielleicht stammte nicht alles Blut an den Händen und Bärten der Trolle von ihnen. Vielleicht würde man irgendwann abgenagte Knochen finden. Auch den Trollen konnte es Athanor nicht verübeln. Auch von ihnen waren zu viele nicht vom Schlachtfeld zurückgekehrt.
Jene Elfen, die dazu in der Lage waren, berieten nun darüber, wer das Heer nach dem Tod der Erhabenen anführen sollte. Er ersparte sich, dabei zuzuhören. Seine Gedanken kreisten um den Drachen. Wie konnten sie das Biest besiegen? Erst hatte der aufkommende Sturm verhindert, es mit Brandpfeilen zu beschießen. Dann hatte der Regen sogar das magische Drachenfeuer gelöscht. Für den Moment war der Sturm auf ihrer Seite. Doch der Drache peitschte die Bäume mit seinem Schwanz, dass riesige Äste brachen und herabfielen. Er packte ganze Trosswagen mit den Klauen, hob sie in die Luft und schleuderte sie auf den Wald.
Wieder fragte sich Athanor, warum das Ungeheuer gegen sie kämpfte. Im Grunde konnte es dafür nur eine Erklärung geben. Der Drache musste auf Theroias Seite gestanden haben. Nein. Das kann nicht sein .
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