Der letzte Krieger: Roman
Throns. Sein Haar glich einer struppigen Mähne, die nur von der schlichten, schwer aussehenden Krone gebändigt wurde. Goldene Perlen und Ringe glänzten in seinem geflochtenen Bart, und doch blieb genug Gewirr übrig, um an einen Troll zu erinnern. Die große, fleischige Nase unterstrich die Ähnlichkeit noch. Es war schwierig, Rathgars Alter zu schätzen, aber selbst durch den großen Raum spürte Athanor die Kraft und den eisernen Willen dieses Königs. Zwei Leibwächter in Rüstungen, an denen Gold und Silber glänzten, flankierten mit starren Blicken den Thron.
Dass es im Saal brummte und hallte, als grollten einige Dutzend Bären durcheinander, lag an den Zuschauern, die sich auf den Rängen zur Linken eingefunden hatten. Grummelnd und murmelnd saßen die Zwerge dicht gedrängt, um die Elfen zu sehen, die es gewagt hatten, heimlich ihr Reich zu betreten. Wohl zu Ehren des Königs trugen sie ihre besten bestickten Wämser, goldene und silberne Gürtel und reichen Schmuck. Athanor fiel auf, dass die oberste Reihe immer noch niedriger war als der Thron. So konnte niemand den König überragen. Die besten Plätze fanden sich jedoch ohnehin in der ersten Reihe. Einige besonders wohlhabend und stattlich aussehende Zwerge und Zwerginnen hatten sich dort auf herausgehobenen, mit Pelzen ausgelegten Sitzen niedergelassen.
Zur Rechten wirkte die Halle dagegen leer. Nur neun Gestalten standen dort, von denen eine sofort Athanors Blick auf sich zog. Dieser Zwerg war ganz in Schwarz gekleidet, und seine Hände ruhten auf einer großen geschwärzten Axt, deren Schneide umso schärfer wirkte. Der Henker. Dann konnte der aus einem Baumstumpf gefertigte Klotz in der Mitte der Halle nur der Richtblock sein. Ernst und doch gelassen musterte der Henker die Gefangenen, und Athanor musterte ihn. Kein Wappen auf der Kleidung, kein Zierrat im Bart. Der Mann und seine beiden kräftigen Gehilfen waren namenlose Schatten, die unsichtbare Hand der Gerechtigkeit.
Die Wächter schoben Athanor zu einer von drei Bänken, die gegenüber des Throns aufgestellt worden waren, sodass nicht nur der König, sondern auch die Zuschauer und die neun zur Rechten die Gefangenen sehen konnten.
»Setzen!«, herrschte Graubart sie an. »Du, Mensch!«, wandte er sich an Athanor. »Du wirst für deine Freunde übersetzen, sonst schneide ich dir die Ohren so spitz zu wie ihre!«
Gereizt ließ Athanor zu, dass zwei der Wächter ihn auf seine Bank zerrten, obwohl er sich auch von allein gesetzt hätte. Ob er Davarons Antworten etwas patziger formulieren sollte, als der Elf sie ohnehin geben würde? Nein. Er beschloss, die Würde dieses Gerichts zu wahren. Wenn er dem Henker schon ins Auge blicken musste, wollte er es aufrecht und ehrenhaft tun.
Auch der fremde König verdiente Respekt. Sie hatten sich freiwillig in sein Reich begeben und seine Gesetze gebrochen. Es war nur gerecht, dass sie nun dafür zur Verantwortung gezogen wurden.
Unter den Zwergen auf den Rängen kehrte rasch Ruhe ein, als eine der neun Gestalten zur Rechten vortrat. Die Zwergin hatte langes dunkles Haar, das von grauen Strähnen durchzogen war. Wie ihre beiden Begleiter trug sie ein weißes Gewand, doch es war so dicht mit silbernem Faden bestickt, dass es bei jeder Bewegung glitzerte. In ihrer Hand hielt sie einen Stab, der sie überragte. Seine wie ein Meißel geformte Spitze stieß bei jedem Schritt klirrend auf die steinernen Fliesen, während der silberne Kopf die Form eines Hammers besaß.
Die Zwergin neigte das Haupt vor dem König, der ihr mit einer Geste gestattete zu beginnen, was immer sie im Sinn hatte. Athanor erwog, seine Wächter zu fragen, wer die Frau war, aber einer der beiden zischte »Ruhe!«, sobald er den Mund öffnete. Dafür ergriff die Würdenträgerin das Wort. Ihre Stimme klang voll und für eine Zwergin erstaunlich klar. »Ehrenwerte Versammelte, der Große Baumeister hat die Welt nach seinen Vorstellungen geformt. Mit Hammer und Meißel gab er ihr ein Gesicht. Er schuf Berge und Täler, Felsnadeln und Höhlen, Riesen und Zwerge. Überall in seinem Werk erkennen wir Gerechtigkeit und Ausgleich. Wo es Höhe gibt, muss es auch Tiefe geben. Wo es Richtig gibt, gibt es auch Falsch. Und so folgern wir, dass auch für unsere Taten Ausgleich geschaffen werden muss. Wer gibt, dem wird zurückgegeben. Wer nimmt, dem wird genommen.«
Zustimmendes Gemurmel erhob sich aus den Reihen der Zwerge. Athanor übersetzte die Rede für die Elfen, aber seine Gedanken waren
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