Der letzte Krieger: Roman
Zähne in den Knebel. Der Zwerg, der ihm das Holz in den Mund geschoben hatte, packte nun seinen Arm und drückte ihn nach unten, sodass die Hand fest auf dem Richtblock zu liegen kam. Ob es Absicht war, dass er dem Gefangenen nun die Sicht auf den Henker versperrte? So würde Davaron jedenfalls nicht wegzucken, weil er die Axt nicht kommen sah.
Eine leise Stimme in Athanors Kopf fragte, ob er den Elf genug hasste, um selbst das Beil zu führen. Gereizt schob er den Gedanken beiseite. Davaron hatte die Strafe verdient. Auch in Theroia wäre einem Dieb, der es ausgerechnet auf die königliche Schatzkammer abgesehen hatte, die Hand genommen worden – wenn nicht mehr.
Der andere Gehilfe holte zu einer Tülle vorgeformte Tücher und einen Lederriemen aus dem Korb. Erst dann hob der Henker die Axt und nahm Maß. Das geschwärzte Blatt fuhr so schnell nieder, dass die Schneide zu einem Blitz verschwamm. Mit einem dumpfen Knall fuhr der Stahl ins Holz. Für einen Lidschlag sah Athanor keine Regung auf Davarons Gesicht. Dann riss der Elf plötzlich die Augen auf, um sie fast sofort wieder zuzukneifen, als er auf den Knebel biss, dass die Kiefermuskeln hervortraten. Stoff und Holz dämpften seinen Schrei zu einem Ächzen. Sein Körper zuckte wie unter Krämpfen. Schon sprang der Zwerg mit den Tüchern vor und schob den Verband über den Stumpf, bevor Athanor ihn richtig sehen konnte. Hastig umwickelte der Gehilfe sein Werk mit dem Lederriemen, während sein Kumpan noch immer Davarons Arm umklammert und auf dem Block hielt. Von ihrem Schnaufen und Davarons Stöhnen abgesehen war es totenstill im Saal. Die Lider des Elfs begannen zu flattern, als werde er ohnmächtig. Gelassen wischte der Henker die Schneide seiner Axt ab. Die blasse schlanke Hand lag schlaff auf dem dunklen Holz.
Die Wächter schleppten Davaron zu seiner Bank zurück, auf der er zusammensackte. Vielleicht wäre er umgekippt, hätten sie sich nicht hinter ihn gestellt und ihn gestützt. Jeder der beiden Zwerge legte eine Hand auf eine Schulter des Elfs, was aussah, als würden sie ihn am Aufspringen hindern wollen, doch Athanor ahnte, dass sie ihn in Wahrheit aufrecht hielten, damit er nicht vornüberfiel.
»Bitte, Athanor!«, flehte Elanya, während seine Wachen ihn zurück an seinen Platz führten. »Sie müssen mich ihm helfen lassen. Er wird verbluten.«
»Was sagt sie?«, wollte Graubart mürrisch wissen. »Legt sie ein Geständnis ab?«
»Sie ist Heilerin und fürchtet, dass ihr Freund verbluten wird, wenn …«
Der Zwerg schnitt Athanor barsch das Wort ab. »Sie soll sich den Atem für ihre Verteidigung sparen! Dem Elf geschieht schon nichts. Die schmieren irgendein Zeug in den Verband.«
Während er die Worte übersetzte, beugte er sich auf seiner Bank vor, um einen Blick auf Davaron zu werfen. Es schien zu stimmen. Hätte nichts die Blutung aufgehalten, wäre der Verband längst mit Blut getränkt gewesen.
Unter den Zuschauern auf den Rängen wurde geflüstert. Einige saßen mit selbstgerechter Miene zurückgelehnt auf ihren Plätzen. Andere wirkten beunruhigt und sahen blass um die großen Nasen aus. Offenbar war die Verstümmelung eines Diebs auch in Firondil kein alltäglicher Anblick.
»Das Urteil wurde vollstreckt«, verkündete die Priesterin, als ob es nicht jeder im Saal gesehen hätte. »Der Dieb hat den gerechten Lohn für seine Tat erhalten.« Sie wandte sich um und richtete den Hammerkopf ihres Stabs auf Elanya. »Elanya Elfentochter, erhebe dich vor deinem Richter!«
Die Elfe stand auf, bevor ihre Wächter sie auch nur berührten. So sehr Athanor Davaron die Qual und Demütigung gönnte, so wenig wünschte er sie für Elanya. Wohin war nur seine ganze Wut verschwunden? Er verspürte zwar nicht gerade Lust, Elanya zu beschützen, aber die Vorstellung, dass der Henker auch ihr die Hand abhacken könnte, hinterließ einen harten Klumpen in seinem Bauch. Für den Moment hatte sich der Scharfrichter mit seinen Gehilfen wieder auf seinen ursprünglichen Platz vor der Wand zurückgezogen, doch das besagte nichts.
»Mein König«, begann die Priesterin an Rathgar gewandt, »auch diese Elfe hat sich auf betrügerische Art Zugang zu deinem Reich verschafft. Mit der ihrem Volk eigenen Heimtücke, die nur noch von jener der Drachen übertroffen wird, verwandelte sie sich in eine Eule, um unsere Wächter zu täuschen.«
Die Zwerge auf den Rängen gaben überraschte Laute von sich und wechselten ungläubige Blicke. Andere ergingen sich in
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