Der letzte Krieger: Roman
einer kleinen Ewigkeit, nur um sich selbst zu unterbrechen. »Ich meine, du müsstest längst nicht mehr hier sein. Dein Urteil war gefällt. Sie hätten dich nach draußen geführt, und du wärst frei gewesen.«
»Ja, und?«
»Das fragst du? Warum hast du darauf bestanden, uns zu begleiten? Wir haben dich hintergangen und in Gefahr gebracht. Wir haben deine Hilfe nicht verdient.«
»Stimmt.« Daran gab es nun wirklich keinen Zweifel. Und Rathgar hatte deutlich gemacht, dass er diese Suche für eine Reise ohne Wiederkehr hielt. Aus seiner Sicht lag darin schließlich der Sinn dieser Strafe.
»Ja, aber … Wie kannst du uns dann beistehen wollen?«
»Liegt das nicht auf der Hand? Wenn ich dich rette, teilst du aus Dankbarkeit bestimmt das Lager mit mir.«
Hörbar schnappte sie nach Luft. »Lieber würde ich bei einem Troll liegen!«
»Aufhören!«, blaffte Davaron. »Mir wird schlecht. Kannst du nicht irgendetwas gegen diese Schmerzen tun, Elanya? Die Hand bringt mich noch um.«
Athanor lag auf der Zunge, dass es keine Hand mehr gab, die schmerzen konnte, doch bevor er es sagen konnte, ertönten Geräusche an der Tür. Wächter und Licht quollen herein.
»Es ist Zeit, aufzubrechen«, verkündete Graubart.
Beinahe lautlos glitt die Barke durch das schwarze Wasser, das im Laternenlicht glänzte wie ein Spiegel aus Obsidian. Leise schwappte es an das kleine Boot und die steilen Felswände, die zu beiden Seiten bedrohlich nah gerückt waren. Wie hoch sie über ihm aufragten, konnte Athanor in der Dunkelheit nicht einmal schätzen. Wundersam geformtes Gestein hing an ihnen herab wie Eiszapfen. Manchmal sah es auch aus wie geschmolzenes Glas, das am Fels herabgelaufen und dabei erkaltet war. Er hätte es gern berührt, um herauszufinden, ob es nass oder nur glatt war, doch die Wächter hatten ihm die Hände hinter dem Rücken zusammengekettet. Bei jedem Schwanken wurde ihm deshalb etwas mulmig, denn wenn das Boot kentern sollte, würde er mit den Handschellen weder schwimmen, noch sich irgendwo festhalten können.
Zum Glück war das Wasser so ruhig, dass sich die Barke nicht mehr geneigt hatte, seit er und seine Bewacher eingestiegen waren. Zwei Wächter saßen mit ihm auf den Bänken, während ein dritter Zwerg im Heck stand und das Boot vorwärts stakte. Mal war das Wasser so niedrig, dass der Stab bis zum Grund reichte, mal so tief, dass der Zwerg den Stecken an der Felswand ansetzen musste, um sie voranzuschieben.
Vor ihnen leuchtete die Laterne eines weiteren Nachens, in dem Davaron zusammengekauert vor seinen Wächtern hockte. Er musste üble Schmerzen haben, wenn er sich vor den Zwergen eine solche Blöße gab. Ohne Magie und der Möglichkeit beraubt, nach Kräutern zu suchen, hatte Elanya ihm nicht helfen können. Sie saß in einem dritten Boot, mitsamt dem Gepäck, dem mürrischen Graubart und einem Zwerg, der seiner Barttracht nach kein Wächter war, aber eine ausgezeichnet gearbeitete Rüstung trug.
Es war eine beklemmende Fahrt auf diesem schwarzen Gewässer. Selbst die Zwerge waren schweigsam und starrten in die Finsternis, der die Laternen stets nur einen kleinen Ausschnitt der unterirdischen Spalte entrissen. Der rechte Fluss für Nomon, den Fährmann, von dem man sich in Theroia erzählte, er setze seine arglosen Passagiere ins Totenreich über. Von dort gab es kein Entkommen. Wie aus den Stollen unter dem Gorgon. Sein Freund unter den Wächtern hatte ihn noch einmal davor gewarnt, doch Athanor bereute seinen Entschluss nicht. Der Weg ins Schattenreich war ebenso gut wie an jeden anderen Ort.
»Wir sind da«, stellte der Zwerg im Heck nüchtern fest.
Athanor merkte auf. Am äußersten Rand des Lichtscheins schälte sich vor dem ersten Boot ein breiter Sims aus der Dunkelheit. In den Fels gehauene Stufen führten von der Wasserlinie hinauf. Die Anlegestelle bot nur einer Barke Platz, weshalb sie warten mussten, bis der Elf nach oben gestiegen war. Seine Wächter blieben im Boot, das sogleich wieder ablegte. Demnach gab es von dem Sims keinen Fluchtweg mehr, es sei denn, man wollte sich dem dunklen Wasser anvertrauen.
Athanors Barke rückte nach. Obwohl sie kaum Fahrt hatte, stieß sie mit einem dumpfen Knall gegen das Ufer und schabte am Gestein entlang. In den Fels war ein rostiger Ring eingelassen, den einer der Wächter ergriff, um das Boot näher an die Stufen zu ziehen. Der andere erhob sich und kletterte von Bord, was die Barke heftig schaukeln ließ.
»Jetzt du!«, rief er Athanor von
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