Der letzte Krieger: Roman
einen fingerlangen Stachel auslief.
Graubart und sein Untergebener drückten die Torflügel auf. Auch die Angeln sperrten sich, bis sie dem Druck kreischend nachgeben mussten. Das Quietschen hallte in der Höhle so laut, dass Elanya gequält das Gesicht verzog. Hinter dem Tor verlor sich ein Gang in der Dunkelheit, der sich auf den ersten Blick nicht von den meisten anderen im Reich der Zwerge unterschied.
Der Fremde und der Bootsführer trugen das Gepäck hinein. Letzterer eilte sogleich wieder hinaus, während der Fremde neben den Bündeln stehen blieb und sich neugierig umsah.
»So, rein mit euch!«, befahl Graubart. Seine Geste war so unmissverständlich, dass die Elfen ihn sofort verstanden.
Athanor ließ den beiden den Vortritt. Frauen und Krüppeln gegenüber rücksichtsvoll zu sein, war schließlich die Zierde des Edelmanns, sagte er sich grinsend, was ihm einen argwöhnischen Blick von Graubart einhandelte.
»Wie kommen wir dort wieder raus, falls wir dem Fluch entgehen?«, fragte er ihn.
Die Miene des Zwergs zeigte deutlich, dass er nicht an diese Möglichkeit glaubte. »Hrodomar kennt das Passwort. Ihr behandelt ihn also besser pfleglich.«
Der Rotbart? Athanor betrachtete den Fremden, der demnach Hrodomar hieß, mit neuen Augen. Etliche Fragen schossen ihm durch den Kopf, doch ein Stoß mit Graubarts Axt verschob sie auf später.
»Schlaf hier nicht ein, Mensch!«
Gereizt folgte Athanor den Elfen durch das Tor. Hatte der ach so tapfere Anführer der Wächter etwa Angst vor abgestandener Luft? Mehr Unannehmlichkeiten konnte Athanor bislang jedenfalls nicht feststellen.
»Bist du wirklich sicher, dass du das tun willst?«, fragte Graubart Hrodomar.
»Baumeisters Bart!«, fluchte der junge Zwerg. »Wie oft willst du mich das noch fragen? Das ist die Gelegenheit, auf die ich seit Jahren warte.«
Der Ältere schüttelte den Kopf. »Mögen die Ahnen dich segnen, Junge«, murmelte er mit einem letzten mitleidigen Blick.
Die schmale Sichel des Mondes spiegelte sich auf dem trägen Wasser des Sarmandara. In der Ferne flackerte Wetterleuchten über den pechschwarzen Himmel, doch über Mahalea blinkten vereinzelte Sterne. Wenn sie Glück hatten, blieben sie heute Nacht trocken. Obwohl die Greife manchmal auf dem Sturmwind dahinjagten und ausgelassen mit den Böen spielten, erschwerten die vielen Gewitter das Vorwärtskommen. Und was nützte es, im Regen zu fliegen, wenn sie keine zehn Schritte weit sehen konnte?
Die Insel, auf der sie lagerten, ragte an ihrer höchsten Stelle kaum kniehoch aus dem Wasser. Angespülte Äste in den Büschen zeugten davon, dass sie erst vor Kurzem überflutet worden war. Trotzdem machte sich Mahalea keine Sorgen, denn das Unwetter tobte flussabwärts, und die Insel bot Schutz vor überraschenden Angriffen. Die Greife – und im Grunde auch sie – hätten einen Felssporn oder die Kuppe eines steilen Hügels bevorzugt, doch ein solcher Platz war in der Ebene Daranias nicht zu finden. Das Land war so flach wie der Fluss, der nur hier so breit und in weiten Bögen durch verlassene Felder und Auenwald floss.
Mahaleas weiche Stiefel verursachten kein Geräusch auf dem Sand. Um sich wach zu halten, hatte sie beschlossen, die Insel zu umrunden. Das andere Ufer war im Mondlicht nicht mehr als ein dunkles Band jenseits des schimmernden Wassers. Pappeln und Weiden erhoben sich als schwarze Schemen über Schilf und Gestrüpp.
War da nicht … Mahalea hielt inne, lauschte. Wieder drang ein Rascheln zu ihr herüber. Lautlos zog sie einen Pfeil aus dem Köcher und wich zurück. Hinter einem Strauch ging sie in Deckung. Bewegte sich dort etwas im Wasser?
Da! Etwas Dunkles ragte aus dem Fluss und schob sich auf die Insel zu. Die aufglänzenden Bugwellen verrieten die Kreatur, deren Schädel Mahalea lang und struppig vorkam. Leises Schnaufen drang an Mahaleas Ohren. Das pfeilförmige Muster der Wellen geriet hinter dem Wesen in Unordnung. Da sind noch mehr!
Gerade wollte sie aufspringen, um Elidian und die Greife mit einem Warnruf zu wecken, als die vorderste Kreatur in seichteres Wasser gelangte und wieder Boden unter den Füßen fand. Mit einem Grunzen stemmte sie ihren Kopf zur Gänze über die Oberfläche. Ein Buckel wölbte sich dahinter auf. Erleichtert stieß Mahalea die Luft aus. Es sind nur Wildschweine.
Tier für Tier schälte sich eine ganze Rotte aus der Dunkelheit. Die Bache an der Spitze hob ihre Rüsselschnauze und witterte in Mahaleas Richtung, bevor sie brummelnd
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