Der letzte Kuss
einziger Zufluchtsort, aber das ist jetzt nicht das Thema. Ich arbeite auch noch ehrenamtlich im Krankenhaus«, fügte sie in dem Bestreben hinzu, ihn von ihren externen gesunden Betätigungen zu überzeugen.
Er runzelte die Stirn. »In der Kinderabteilung. Es ist ein wunderbares Geschenk, das du den Kindern da machst, aber soweit es dich betrifft, handelt es sich um eine Ausweitung derselben Besessenheit. Es ist ungesund, sich in das Leben seiner Kinder einzumischen.«
Sie straffte die Schultern. Ihr Herz schlug schmerzhaft in ihrer Brust, und sie spürte einen Kloß im Hals: »Ich bin nicht besessen und mische mich nicht ein. Ich übertreibe etwas, damit meine Söhne ihren Horizont erweitern. Das ist alles.«
»Also gut, lass uns festhalten, dass wir uns in diesem Punkt einig sind, uneinig zu sein. Aber im Hinblick auf deine Person wird es Zeit, dass ich dir meine Meinung sage, und nicht nur als dein Arzt.«
Raina wusste nicht genau, warum, aber ihr Adrenalinspiegel stieg in einer Weise an wie seit Jahren nicht mehr. Schmetterlinge flatterten in ihrem Magen.
»Es gibt noch andere Studien, die ich zitieren könnte, aber hast du gewusst, dass die emotionale und körperliche Beziehung zu einem anderen menschlichen Wesen ein entscheidender Teil des Lebens ist?«
»Ich habe Beziehungen. Zu meinen Söhnen, meinen Freunden, zu dir … zu jedem in dieser Stadt.«
»Ich spreche nicht von Freundschaften, Raina.«
Sie begegnete seinem Blick und sah ihm zum ersten Mal richtig in die Augen, sah ihn nicht nur als Freund, sondern auch als Mann. Als attraktiven, fürsorglichen, begehrenswerten Mann.
Er sah wirklich gut aus, sein graumeliertes Haar ließ ihn vornehm, nicht älter erscheinen. Seine Haut war gebräunt und vom Wetter gegerbt, auf eine markante Weise, die allen Falten Trotz bot. Und sein Körper hatte, wenn auch nicht die
Straffheit der Jugend, so doch die äußere Erscheinung eines kraftvollen Mannes bewahrt.
Sie fragte sich, was er wohl sah, wenn er sie betrachtete, und entdeckte überrascht, dass es ihr nicht egal war. Das Gespräch hatte einen persönlichen, sinnlichen Unterton angenommen, den sie bei Eric noch nie gehört hatte. Ob sie sich wohl täuschte? Sie war zu alt, um anzunehmen, dass Männer sie mit wirklichem Interesse ansahen. Nicht mehr. Seit John nicht mehr.
Aber hatte sie nicht selbst soeben Eric in einer – sie wagte es kaum zu denken – intimen Weise gemustert? Völlig verwirrt ballte sie die Hände zu Fäusten, und er ließ sie endlich los.
»Um zwei habe ich Patienten. Wir sollten jetzt wohl essen.«
Raina nickte dankbar und packte ihren Picknickkorb aus, den sie in Normans Restaurant gefüllt hatte.
»Erzähl mir also, welche anderen Projekte du noch laufen hast«, sagte Eric und begann zu essen.
»Von dem abwechslungsreichen Bridgeabend hast du gehört, oder?« Einmal im Monat bestand Raina darauf, dass die Frauen in ›Charlottes Speicher‹ einkauften, anstatt Bridge zu spielen. Damenabend nannte sie es.
Er lachte. »Na klar. Du hast es zu deiner Mission gemacht, Charlotte zum Erfolg zu verhelfen.« Er zeigte mit der Hand über den Rasen auf ›Charlottes Speicher‹ auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Raina hob die Schultern: »Warum nicht. Ich habe das Mädchen schon immer gern gehabt.«
»Schon wieder am Bemuttern«, bemerkte Eric zwischen zwei Bissen. Raina sah ihn missbilligend an und wollte etwas erwidern, aber da milderte er seine Worte durch ein gewinnendes
Lächeln ab. »Komm am Freitag Abend mit mir zum Saint Patrick’s Day-Tanz.«
Nie zuvor hatte er sie eingeladen, mit ihm auszugehen. Niemals hatte er ihr angeboten, sie irgendwohin zu begleiten, es sei denn, sie begegneten sich in einer Gruppe. Babysitten bei einer Witwe nannte sie es, und keiner hatte je widersprochen. Erics Frau war jetzt drei Jahre tot, und er hatte sich in seine Arbeit gestürzt, also war sie über diese Einladung erstaunt.
»Ich würde gern mitgehen, aber die Jungen werden auch da sein, und …«
»Um Himmels willen, sie könnten denken, dir fehlte gar nichts, was?«
Die Hitze stieg ihr ins Gesicht. »So in etwa.«
»Dann muss ich dir wohl ein Rezept für einen abendlichen Ausgang schreiben.«
Seine Augen funkelten, und sie musste zugeben, dass sie schwach wurde. Nicht wegen seines Angebots, sondern seinetwegen. »So etwas wie Babysitten?« Sie musste Klarheit haben. Sollte sie als sein Date mitgehen, oder wollte er nur eine alte Freundin aus dem Haus locken?
Mit einem
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