Der letzte Kuss
genommen hat. Und warum du, wenn du nicht gerade unterwegs bist, zuhause auf Anweisung des Arztes ruhst. Ich weiß nämlich verdammt gut, dass Leslie nichts von dringend notwendiger Ruhe gesagt hat. Notwendige Magenmittel, das vielleicht.«
Raina blickte sich um, in der Hoffnung, jemand würde sie vor einer Strafpredigt bewahren, aber es war kein weißer Ritter in Sicht, nicht einmal Samson, der hinter ihnen die Blumenbeete jätete. »Eric, wie alt sind die Jungen? Alt genug, um verheiratet zu sein«, sagte sie, ohne auf eine Antwort von ihm zu warten. »Alt genug, um Kinder zu haben.«
»Das ist es also, was dir Sorgen macht. Du willst Enkelkinder?«
Sie nickte nur, weil es ihr schwer fiel, zu sprechen, die Wahrheit zuzugeben, ohne die wachsende Leere in ihrem Leben und in ihrem Herzen einzugestehen.
»Die Jungen werden heiraten, wenn sie soweit sind, Raina.«
»Was spricht dagegen, das Ganze etwas zu beschleunigen? Der Himmel weiß, dass Rick einsehen muss, dass ihn nicht alle Frauen verletzen werden, nur weil eine es getan hat. Und dann ist da Roman …«
»Entschuldige, aber ich verstehe dich nicht«, unterbrach Eric sie. »Was hat dein Krankspielen mit dem Wunsch zu tun, dass deine Söhne eine eigene Familie gründen?«
Sie blickte nach oben. Himmel hilf, wie begriffsstutzig Männer sein konnten – sie hatte das Gefühl, nur von solchen
umgeben zu sein. »Meine Söhne würden mir niemals meinen Herzenswunsch verweigern – noch dazu einen, der auch ihr eigenes Leben bereichern würde. Nicht, wenn sie glaubten …« Sie krauste die Nase und zog ängstlich und zögerlich die Schultern hoch.
»Dass deine Gesundheit in Gefahr sei?« Auf ihr kaum wahrnehmbares Nicken hin stand er abrupt auf. »Großer Gott, wie konntest du das deinen Kindern antun?«
»Ich habe es für meine Kinder getan. Setz dich wieder hin, du machst mir ja eine Szene.« Sie zerrte an seinem Ärmel und er folgte ihrem Befehl.
»Es ist nicht richtig.«
Raina ignorierte den Anflug eines schlechten Gewissens. Okay, es war mehr als ein Anflug, aber wenn ihr Plan gelänge, würde niemand zu Schaden kommen und jeder davon profitieren. »Du darfst es ihnen nicht sagen.«
»Diese Jungen lieben dich. Nenne mir einen plausiblen Grund, warum ich das nicht tun sollte.«
»Dein Hippokratischer Eid.« Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust. »Muss ich ihn erst für dich zitieren? Ich kann das nämlich, solltest du wissen. Zeile für Zeile«, fügte sie sicherheitshalber hinzu.
»Daran zweifle ich nicht«, antwortete er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Fünftes Jahrhundert vor Christus: ›Ich schwöre bei Apollo‹, dem großen Heiler …«
»Du hast gewonnen, Raina, aber es gefällt mir nicht.«
»Das ist mir schon klar.« Für gewöhnlich genoss sie es, sich mit ihm Wortgefechte zu liefern, und schon als sie sich die Zeilen eingeprägt hatte, wollte sie ihm mit ihrem Wissen imponieren, aber der Sieg war überhaupt nicht süß. »Meine Söhne wissen nicht, was ihnen im Leben entgeht. Was ist so
falsch daran, ihnen das vor Augen zu führen? Du hast selber zwei süße Enkelinnen, die beide in Saratoga Springs wohnen, keine zwanzig Minuten von hier. Ich wette, dass du dir ein Leben ohne sie gar nicht mehr vorstellen kannst. Und ich bin sicher, du wärst verzweifelt, wenn deine Töchter noch keine eigene Familie hätten.«
»Das kann ich dir nicht beantworten, da sie beide verheiratet sind und Kinder haben. Aber ich bezweifle, dass ich ihnen etwas vormachen würde. Es ist deine Taktik, die ich anfechte, nicht deine Gefühle. Und da wäre noch etwas.«
Mit seinem Daumen fuhr er ganz langsam über ihren Handrücken, und erst jetzt wurde Raina bewusst, dass er sie immer noch festhielt. Sie schluckte schwer. »Was denn?«
»Du bist zu lange allein gewesen. Untersuchungen zeigen, dass verwitwete Frauen, Frauen mit einem Workaholic zum Ehemann und Frauen ohne eigene Interessen sich eher in das Leben ihrer Kinder einmischen.«
Es gab Vieles im Leben, das Raina nicht leiden konnte. Eins davon war, von oben herab behandelt zu werden. »Ich habe andere Interessen. Jeden Morgen gehe ich zum Joggen raus oder laufe auf dem Heimtrainer im Keller.«
Er hob eine Augenbraue. »Du joggst noch mit deinem schwachen Herzen?«
Sie zuckte die Schultern. »Wenn ich sicher bin, dass sie mich nicht erwischen, und das ist nicht leicht, glaube mir. Diese Jungen sind so stur, und da sie zu dritt sind, scheinen sie überall zugleich zu sein. Der Keller ist mein
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