Der letzte Kuss
Freudenschrei aus.
»Ich werde alles tun, damit du diese Zeit nie vergessen wirst«, versprach er mit dieser aufregenden, unwiderstehlichen Stimme.
Und Charlotte glaubte ihm. Sie wusste mit Sicherheit, dass sie sich nach diesem Wochenende nie mehr fragen würde, was ihr entgangen war, seit sie ihn zu Teenagerzeiten zurückgewiesen hatte.
Allerdings wollte sie immer daran denken, dass es sich um eine kurzfristige Affäre handelte. Und dass Roman ihr Typ für zwischendurch war.
Kapitel acht
Roman holte Charlotte pünktlich ab. Er fuhr sie bis an den Stadtrand, ehe er auf dem Seitenstreifen anhielt und ein Seidentuch aus dem Handschuhfach fischte. Er ließ es vor ihrem Gesicht flattern.
»Wofür ist das?« Charlotte beäugte das Tuch neugierig.
»Ich möchte, dass du meine Überraschung erst siehst, wenn ich soweit bin.«
Vorfreude breitete sich aus. »Ich liebe Überraschungen.«
Romans tiefes Lachen umhüllte sie in der Umgrenzung seines kleinen Mietwagens. »Höre ich da einen Ton von Anerkennung in deiner Stimme?«
Er beugte sich vor und band ihr das Seidentuch um den Kopf. Ihre Nerven waren aufs Äußerste angespannt.
Sie hob die Hände, um die Augenbinde anzufassen, und ihr Magen machte einen Satz. Genauso schnell, wie ihr die Sicht verwehrt wurde, hatten sich ihre anderen Sinne geschärft und die Kontrolle übernommen. Romans tiefe Atemzüge und sein aufregendes Herrenparfüm lösten ein Zittern in ihr aus. »Wo fahren wir also hin?«
»Du solltest nicht so direkt fragen. Wenn ich es dir sagen wollte, bräuchtest du keine Augenbinde, oder?« Er ließ den Wagen wieder an, und sie fiel gegen die Rückenlehne als er Richtung Autobahn fuhr.
Sie merkte gar nicht, wie viel Zeit verging, weil sie bald ein angenehmes, leichtes Gespräch miteinander führten. Sie kamen gut zurecht, was keine Überraschung war. Ebenso
wenig überraschten sie die Dinge, die sie gemeinsam hatten – die Liebe zur Geschichte und ein starkes Interesse an fernen Schauplätzen, von denen er ihr viele im Detail beschrieb, wie es nur ein Augenzeuge konnte. Sie beneidete ihn um seine Reisen viel mehr, als sie offen zugeben mochte.
»Als ich in deinem Apartment war, mussten mir einfach die Bildbände auf dem Tisch auffallen.« Das war keine so ungewöhnliche Wende des Gesprächs nach seinen Geschichten und Reisebeschreibungen.
»Viele Leute haben solche Bücher«, erwiderte sie, weil sie noch nicht bereit war, tieferen Einblick in ihre Seele zu gewähren.
»Das dachte ich zunächst auch. Dann habe ich näher hingesehen. Deine waren zerlesen und zerfleddert.«
Dieser verdammte Kerl. Er beobachtete und analysierte bis ins Kleinste, bis er zu der richtigen Schlussfolgerung gelangte. »Dann nenn mich ruhig oberflächlich. Ich mag Bildbände.«
»Ich könnte dich alles mögliche nennen.« Seine Hand lag jetzt auf ihrem Knie, seine Handfläche versengte ihr Fleisch durch die dünne Baumwollhose. »Aber oberflächlich gehört nicht dazu. Ich glaube, du hütest den geheimen Wunsch zu reisen.«
»Von den paar Büchern kommst du zu einer so gewichtigen Schlussfolgerung?«
Er schüttelte den Kopf. »Das hatte ich schon vorher vermutet, aber deine zwanzig Fragen zu meinen Reisen und die Sehnsucht in deiner Stimme haben mir verraten, dass du diese Stätten gern selber eines Tages aufsuchen würdest.«
Sie überlegte, ob sie lügen sollte, entschied sich aber dagegen. Sie hatte sich das Versprechen gegeben, alle Hemmungen
abzulegen und aus dem Vollen zu genießen, um später nichts zu bereuen. Also keine Lügen oder Verheimlichungen. »Ich nehme an, ein Teil von mir möchte reisen«, gab sie zu.
»Der abenteuerliche Teil, den du verbirgst?« Aus seiner Stimme klang Humor.
»Der oberflächliche Teil«, sagte sie ohne jede Spur von freudiger Zustimmung. Charlotte blickte von Roman weg, dorthin, wo sie das Wagenfenster vermutete, aber überall erwartete sie die gleiche Dunkelheit.
»Oberflächlich! Schon wieder dieses Wort.«
Sie spürte, wie der Wagen langsamer wurde, das leichte Schütteln beim Einparken und das Reiben von Jeansstoff auf dem Vinylsitz, als Roman sich ihr zuwandte.
»Ich reise viel. Hältst du mich also für oberflächlich?«, fragte er endlich.
Sie konnte ihn in ihrer Vorstellung genau sehen, einen Arm über die Kopfstütze gelegt, wie er sie anblickte. Aber tatsächlich konnte sie nur vermuten, was er gerade tat, was sein Gesichtsausdruck enthüllte. In seiner Stimme war ein winziger Anflug von Verletztsein über die
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