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Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Titel: Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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Wand machte den Schafstall gleich viel freundlicher. Lies trat einen Schritt zurück und begutachtete ihr Werk. Sie hatte die Farbe irgendwo in der Ecke gefunden, drei fabrikneue Eimer weißer Wandkalk, und sich sogleich ans Werk gemacht, das Zeug mit einem breiten Pinsel auf die Stirnwand zu schmieren. Im Stall war es warm und friedlich – draußen hingegen bereitete der Herbst (den es laut Jói ja nicht gab) sein Kommen vor und probte seit dem Morgen mit Regen und Sturmböen den Aufstand. Elías hockte schon den ganzen Tag zusammengesunken am Ofen und schwieg. Daher war sie gegangen.
    Der Spitz wedelte mit dem Schwanz, er fand, er habe lange genug herumgelegen, auch wenn die verfilzten Schaffelle warm und gemütlich waren. Eigentlich war es Zeit für eine Runde …
    »Na, dann komm«, lächelte Lies und wischte sich die Hände am Kittel ab. »Schau’n wir mal, was es draußen so gibt.« Die ersten Schafe waren nämlich gestern von alleine die Hänge heruntergekommen, offenbar hatte es im Hochland angefangen zu schneien. Schafe fand der Spitz klasse, das war schließlich seine Arbeit.
    Sörli schrie.
    Lies horchte auf. So hatte sie ihn noch nie gehört. Ob was passiert war? Schnell zog sie die dicke Jacke über und öffnete die Stalltür. Eine eisige Windbö nahm ihr den Atem. Am Himmel hingen düstere Wolken, es roch nach Regen. Wieder brummten die Berge – nach einer langen Zeit des Schweigens. Das versetzte Lies am allermeisten in Angst: Die Berge, die so lange still und harmlos in ihrer Farbenpracht gewesen waren, hatten sich zurückgemeldet. Das weiße Pferd stand dicht am Stall, mit schreckgeweiteten Augen und geblähten Nüstern.
    »Na, wem bist du denn begegnet, mein Guter...« Zitternd steckte sie die Hand in seine Mähne – und dann folgte sie seinem Blick.
    Das Haus brannte.
    Lies rannte los. Es ging viel zu langsam, die Strecke war doch sonst nicht so weit! Kläffend sprang der Spitz an ihr hoch und fetzte davon, das Weidetor blieb hinter ihr offen, der Wind fegte sie vorwärts, schneller, schneller …
    Nicht das Haus brannte, sondern der Schuppen, wo die Hühner und unbeschreiblich viel Plunder untergebracht waren. Dicke Rauchwolken zogen aus allen Luken, irgendwas schmurgelte da drinnen, es stank nach Plastik – wo war Elías?!? Der Tag an der Jökulsá kam ihr in den Sinn und dass er beinahe gestorben wäre …
    »Elías!!«, brüllte sie, »Eliiiias! Um Himmels willen – Elías, wo bist du...?« Keine Antwort. Geistesgegenwärtig riss sie sich Jacke und Malerkittel vom Leib und tauchte den Kittel in das Wasserfass neben dem Eingang. Der Spitz kläffte wie von Sinnen. Wie ein Gummiball sprang er hin und her, hilflos, ängstlich, und seine scharfe Stimme überschlug sich, Gefahr- Gefahr . Das nasse Kleidungsstück vor Mund und Nase haltend, stürzte sie sich in den Schuppen, wo man vor lauter Rauch die Hand nicht vor Augen sah.
    Man hörte auch nichts, denn die Hühner waren alle tot. Über eines stolperte sie, dann blieb ihr Fuß an etwas Grö ßerem hängen.
    »Elías – Elías...«
    Tatsächlich, Elías lag auf dem Boden ausgestreckt, so viel konnte sie ertasten. Ihre Augen tränten, der Qualm ätzte in der Lunge, und sie dachte nicht lange nach, sondern holte noch einmal tief durch den nassen Kittel Luft, dann warf sie den Kittel auf Elías’ Gesicht, packte seine Arme und schleifte ihn aus dem Schuppen heraus an die frische Luft. Hechelnd stürzte sich der Hund auf seinen Herrn, schleckte das Gesicht ab, winselte verzweifelt, heulte und nervte so sehr, dass Lies ihn wegschieben musste. Der Wind draußen hatte für einen Moment innegehalten. Steil wie aus einem Vulkanschlot stieg die Qualmwolke in die Höhe, trotzdem roch es um den Schuppen herum sehr ungesund nach Kunststoff und nach was immer sich dort drinnen entzündet hatte. Viel zu oft hatte er in seiner Sammmlung herumgeräumt – wer weiß, was ihm heute in den bisweilen wirren Kopf gekommen war -, nun brannte alles. Der Wind drehte, Qualm blies ihr ins Gesicht, und hustend entschied Lies, den Alten noch weiter wegzubringen. Sie packte ihn und schwankte rückwärts auf das Haus zu, begleitet vom Spitz, der kein Stück von ihnen wich. Elías’ Augen blieben geschlossen. Atmete er überhaupt? Kurz hielt sie inne, fasste an seine Halsschlagader.
    Er lebte.
    Und jetzt??
    Ratlos richtete sie sich auf. ›Rauchvergiftung‹ schoss ihr im Kopf herum, und was sie dazu vor endlos langen Zeiten im Erste-Hilfe-Kurs gelernt hatte.

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