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Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Titel: Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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gemacht?«
    »Jaja, ein guter Platz für ein Bad.« Elías nickte wie einer dieser Wackelhunde auf der Hutablage im Auto. Offensichtlich war er für konkrete Fragen nicht mehr ansprechbar. »Anna hätte das gut gefunden. Ein guter Platz, Mädchen.« Und er nickte und nickte …
    Jói drehte am Radioknopf. Elías runzelte die Stirn, worauf rücksichtsvoll die Musik leiser gedreht wurde. Man war schließlich nicht mehr der Jüngste, und das Radio benutzte man für die fréttir , aber doch nicht für Musik. Fréttir gab es wohl auf einem Sender, Lies hörte was von Iran und Atombomben. Jói aber war jung und suchte Musik. Der fréttamaður mit seinen Atombomben verschwand im Rauschen des Äthers.
    Lies grinste in sich hinein. Wo war sie hier nur gelandet. Allein unter Typen – schrägen Typen. Herr Packbier, wenn Sie wüssten... In ihrer Brust wurde es kriegerisch. Dass Packbier ihr ausgerechnet hier in den Sinn kam. Sie war satt, zufrieden, betrunken. Die Sonne räkelte sich – und sie dachte an Packbier. Krass. Egal. Jetzt wollte sie es ihm zeigen. Packbier, in seinem verfluchten Bürohaus. Wenn Sie wüssten. Herr Packbier, Sie altes ***, wenn Sie nur wüssten, wie sehr ich auf Ihre *** Steuergesetze ***e, und auf Ihre *** Formulare und Ihre ***spitze Nase, die alles findet, und Ihre Unbarmherzigkeit, Ihren ***sarkasmus und Ihre Unmenschlichkeit, und Ihr *** – ***...
    »Tanzt du?«
    Lies schrak hoch. Sie hatte sich grad so schön in Rage gedacht. Hatte Herrn Packbier in Gedanken ausgezogen. Dann geteert, gefedert, mit Honig bestrichen in einen hängenden Käfig gesetzt, damit die Bienen ihn auffraßen, und sie hatte die schlimmsten isländischen Worte, die sie kannte, im Kopf an ihm ausprobiert …
    »Tanzt du mit mir?« Der Isländer wollte tanzen. Mein Gott. Tanzen. Hilflos starrte sie ihn an, ihr Herz lag rund und flach und hechelte vor Sehnsucht. Sie hatte keinen Freund zum Kraulen. Jeder brauchte einen Freund zum Kraulen. Gott, war sie betrunken. Er wollte tanzen. Sie hatte sich mit ihm in Lebensgefahr begeben, über den tosenden Wassern der Jökulsá hatte er sie festgehalten... Und jetzt wollte er tanzen!
    »Komm.« Sein Lächeln war unwiderstehlich. Lies schielte nach der schwarzen Flasche. Der dritten? Vierten an diesem Abend? Nein, Jói hatte kaum davon getrunken. Stattdessen lächelte er wieder... Und schneller, als sie wollte – schneller, als sie eigentlich konnte, stand sie, ein bisschen schwankend, ziemlich schwankend – mein Gott wie peinlich – wie peinlich …
     
    I wish a falling star could fall forever
    And sparkle through the clouds and stormy wheather, sangen Pink Martini im isländischen Radio,
    And in the darkness of the night ...
     
    »Gibt es hier eigentlich auch Sterne?«, murmelte Lies, der trotz des langsamen Rumbarhythmus schwummrig wurde. Die Jökulsá hatte ihre Beine erfasst. Acht Verse, acht Schritte, dann ist er dein. Kein kostbar Ding wert Móaling. »Ich hab noch keinen Stern hier gesehen. Es gibt keine Sterne in Island...«
    »Doch, gibt es...«
    »Jæjaaa«, sagte Ari und setzte die brennivin -Flasche an den Mund, weil er das Glas schon lange nicht mehr anfassen konnte. Brennivin lief an seinen Mundwinkeln vorbei, weil er gleichzeitig darüber lächeln musste, wie sanft der Doktor die kleine Lämmerhirtin festhielt.
    »Ein Bad hab ich bauen wollen. Weißt du noch? Anna. Meine Anna. Anna wollte immer, wollte – immer...« Elías wackelte mit dem Kopf, dann wechselte die schwarze Flasche den Besitzer. Gläser sind was für Stadtmenschen.
    »Es gibt Sterne«, sagte Jói leise und verlangsamte seine Schritte, vielleicht weil er merkte, dass Lies selbst zum Tanzen zu betrunken war. Aber wenn man sie gut festhielt, ging es, und es fühlte sich gut an. Verdammt gut fühlte sich das an. Dachte zumindest Lies. Jói tanzte einfach. Er sorgte dafür, dass sie nicht unterging in den tosenden Fluten der Jökulsá.
    »Wo sind sie dann?«, murmelte sie. Acht Schritte, acht Verse. Kein kostbar Ding wert Móaling. »Wo sind die Sterne? Immer nur Sonne... Sonne – Scheißsonne...« Ihr Kopf sank an seine Schulter.
     
    ... Earth is a beautiful heaven,
    Always I hope that we shine like the star
    And be forever floating above ...
     
    »Ich zeig sie dir«, hörte sie ihn von fern. »Warte noch ein paar Wochen.«
    »Jæjaaaa«, sagte Ari. »Krank vom Essen, ich sag’s euch. Alle Mann krank.«
    Elías rülpste laut.
    Die Morgensonne blendete. Es war halb vier.

9. Kapitel
     
    Die gekalkte

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