Der letzte Liebesdienst
ich ernst.«
Lara hatte ihre Chefin noch nie so emotional erlebt. Nicht wirklich emotional. Manchmal spielte sie eine gewisse Emotionalität, um einen Fall besser darstellen zu können, aber es war immer eine kontrollierte, kalkulierte Emotionalität. Das hier war ganz etwas anderes. Was in diesem Moment nach außen drang, war das, was sie tatsächlich fühlte.
»Gut«, sagte Lara und biss sich gleich darauf auf die Lippen. Frau Stanitz’ ungewöhnliches Verhalten animierte sie anscheinend auch zu einer gewissen Emotionalität. Sie räusperte sich. »Dann brauche ich keine Akte anzulegen, meinte ich.«
»Ich weiß, was Sie meinten. Und Sie haben Recht«, unterstützte Elisabeth Stanitz sie nickend. »Leider kann man nicht alle Dinge im Leben beeinflussen, auch wenn man sich das wünscht. Deborah ist –« Sie brach ab. »Aber was rede ich da. Wichtig ist nur, dass ich für Frau Milano nicht zu sprechen bin. Vermerken Sie das am besten irgendwo. In Rot.«
Laras Mundwinkel zuckten. »Genau das hat Frau Milano gleich zu Anfang am Telefon vermutet: Dass ich sie nicht durchstellen wollte, weil Sie mir gesagt hätten, Sie wären nicht für sie zu sprechen. Damit ist sie der Entwicklung anscheinend nur etwas zuvorgekommen.«
»Normalerweise kommt sie zu spät«, versetzte Elisabeth Stanitz trocken. Sie holte tief Luft. »Kann ich irgendetwas tun, um Sie für diesen Auftritt zu entschädigen? Es gehört nicht zu Ihren Aufgaben, sich an meiner statt beschimpfen zu lassen.«
»So schlimm war es nicht. Manche Mandanten haben schon ähnliche Ausbrüche gehabt. Das macht mir nichts.« Lara lächelte Frau Stanitz freundlich an. »Ich gehe einfach wieder an meine Arbeit.« Sie verließ das Büro.
Der Nachmittag verlief wie geplant. Frau Stanitz musste zu einer Sitzung der Geschäftsleitung und kehrte erst kurz vor Laras regulärem Feierabend zurück. Wahrscheinlich würde Lara länger bleiben müssen, um noch irgendetwas zu tippen, das auf der Sitzung angefallen war. So war es meistens.
»Soll ich noch bleiben?«, fragte sie deshalb mit einem Blick auf die Uhr, als ihre Chefin durch die Tür trat.
»Wartet jemand zuhause auf Sie?«, fragte die Anwältin zurück.
Lara fühlte sich etwas überrumpelt. »N-nein«, antwortete sie zögernd. »Nur mein Hund und meine Katze. Aber ich war heute Mittag spät mit Amor draußen, also hat es noch etwas Zeit.«
Wenn es allzu spät wurde, sagte sie einer tierlieben Nachbarin Bescheid, die einen Schlüssel hatte. Maja hatte sich das wirklich nicht gerade gut überlegt mit den Tieren, als sie sie anschaffte. Zu zweit war es kein Problem gewesen, aber jetzt, da Lara allein war, wurde es manchmal zu einem.
»Oh«, sagte Elisabeth Stanitz. »Ich wusste nicht, dass Sie Tiere haben. Dann hätte ich Sie, wann immer möglich, früher gehen lassen.«
»Das geht schon«, sagte Lara. »Ich habe eine nette Nachbarin, die mit Amor rausgeht, wenn ich später komme. Sie kann sich selbst keinen Hund halten, weil ihr Mann dagegen ist, deshalb freut sie sich über jedes Mal, wenn sie sich um Amor kümmern darf.«
»Was für eine glückliche Fügung«, bemerkte Elisabeth Stanitz auf eine Art, die nicht erkennen ließ, ob sie es wirklich so meinte. »Hätten Sie dann . . . Würden Sie dann heute Abend mit mir essen gehen?«
Lara starrte die Anwältin an, als wäre sie ein Mondkalb. Sie musste sich verhört haben. »Essen? Mit Ihnen?«, schlüpfte es ihr entgeistert heraus.
Es schien, als ob Elisabeth Stanitz gegen eine Bewegung ihrer Mundwinkel ankämpfte. »Ist das so eine furchtbare Aussicht?«, fragte sie bemüht ernst.
»Ja . . . äh . . . nein . . . Entschuldigung.« Lara verkrampfte ihre Hände ineinander. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
»Wenn Ihre Tiere es erlauben«, sagte Elisabeth Stanitz, »sagen Sie doch einfach ja. Es sei denn, Sie haben eine andere Verabredung.«
»Eine andere Verabredung?«, fragte Lara verständnislos. »Nein, bestimmt nicht.«
»Kann ich dann mit Ihnen rechnen?«, fragte ihre Chefin. »Ich hole Sie um acht Uhr ab. Ist Ihnen das recht?«
»Ja . . . äh . . . Wenn Sie meinen«, erwiderte Lara überfordert.
»Sie müssen nicht«, sagte Elisabeth Stanitz. »Das ist kein beruflicher Termin. Sie können einfach ablehnen. Ich kann Ihnen in dieser Hinsicht nichts befehlen.«
In Laras Kopf drehte sich alles. Was für ein Montag! »Nein«, sagte sie. »Ist schon gut. Um acht. Ich werde fertig sein.«
»Sehr schön«, nickte Elisabeth
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