Der letzte Liebesdienst
Stanitz. »Und jetzt machen Sie Feierabend. Ich will Sie nicht länger aufhalten.« Sie ging zügig weiter in ihr Büro.
20
L ara stand unentschlossen vor dem Kleiderschrank. Was sollte sie anziehen? Sie war schon drauf und dran gewesen, ihr Bürokostüm zu tragen, weil sie diesen Abend doch irgendwie als einen beruflichen Termin einstufte, aber sie liebte diese Kostüme nicht und empfand sie wie eine Uniform. Sie war immer froh, wenn sie nach Hause kam und sie ausziehen konnte.
Letztendlich entschied sie sich für eine Stoffhose, die nicht zu privat aussah, und eine silbergraue Bluse, die auch etwas Offizielles hatte. So fühlte sie sich halbwegs auf der sicheren Seite.
Frau Stanitz wollte sie mit diesem Abendessen nur ein wenig dafür entschädigen, dass Deborah Milano ihr heute auf so unangenehme Weise ihre Zeit gestohlen hatte. Wahrscheinlich würde es ohnehin in ein Arbeitsgespräch ausarten. Ihre Chefin würde sicher gerade einmal fünf Minuten am Tisch sitzen, bevor sie mit der Terminplanung anfing.
Lara fragte sich, warum sie nicht nein gesagt hatte. Schließlich waren ihre Arbeitszeiten lang genug. Zumindest das wenige an Freizeit, das sie hatte, wollte sie vom Büro abschalten.
Auf der anderen Seite musste sie jedoch sich selbst gegenüber zugeben, dass sie auch etwas neugierig war, Frau Stanitz einmal nicht im Büro zu erleben. Das einzige Mal, wo das bisher eingetreten war, war in der Disco gewesen, jedoch so kurz, dass man es nicht als wirkliche Begegnung bezeichnen konnte.
Lara wartete ziemlich nervös darauf, dass es acht werden würde. Exakt, als der große Zeiger auf die Zwölf sprang, klingelte es. Keine Sekunde früher und keine Sekunde später. Das war typisch. Niemand anderer als ihre Chefin brachte es fertig, so pünktlich zu kommen.
Lara ging zur Tür und betätigte die Gegensprechanlage. »Ich komme.« Sie nahm ihre Handtasche und ihren Mantel und warf kurz einen Blick zurück ins Zimmer, wo Cassiopeia und Amor nebeneinander saßen und ihr hinterhersahen. »Keine Angst, es dauert nicht lange«, versicherte sie ihnen. »Es würde mich nicht wundern, wenn es nur ein schneller Snack wird und sie gleich darauf wieder ins Büro zurückgeht.« Sie lachte leicht. Ja, das war durchaus möglich. Und es wäre ihr mehr als recht gewesen.
Als Lara aus der Haustür trat, sah sie den Wagen der Anwältin sofort. Frau Stanitz saß hinter dem Steuer und wartete auf sie. Lara ging schnell auf die Beifahrertür zu und öffnete sie.
»Guten Abend«, begrüßte Frau Stanitz sie. »Sie sind genauso pünktlich wie immer.« Das schien sie zu überraschen.
»Ich weiß, wie sehr Sie Unpünktlichkeit hassen«, erwiderte Lara und stieg ein. »Das habe ich berücksichtigt.« Sie schnallte sich an.
»Wie nett von Ihnen.« Elisabeth Stanitz stellte den Automatikhebel des großen Volvo auf Fahren. »Da das hier privat ist, hätte ich Ihnen kaum Vorwürfe machen können.«
»Ich glaube nicht, dass Sie mir überhaupt je Vorwürfe gemacht haben.« Lara warf einen Blick nach links. »Fehler zu korrigieren ist nicht dasselbe.«
»Schön, dass Sie das so sehen.« Die Anwältin lenkte den großen Wagen mit leichter Hand auf die Straße hinaus. »Schon allein dafür haben Sie sich ein Abendessen verdient.«
»Ich habe mich immer bemüht, keine Fehler zu machen«, sagte Lara. »Dafür haben Sie mich bezahlt. Leider –« Sie brach ab. »Eine Weile habe ich mein Geld nicht verdient«, fügte sie dann leise hinzu.
Aus dem Augenwinkel beobachtete Elisabeth Stanitz sie kurz. »Sie hatten ein bisschen etwas angespart an nicht gemachten Fehlern«, erwiderte sie. »Die habe ich dann verrechnet.«
Lara lachte leicht. »So läuft das wohl normalerweise nicht.«
»Es ist nicht so leicht, jemand zu ersetzen, der so gut eingearbeitet ist wie Sie«, wand ihre Chefin ein. »Ich hätte nicht weniger Arbeit gehabt, wenn ich Sie entlassen hätte. Machen Sie sich deshalb also bitte keine Gedanken mehr.«
Lara bezweifelte nicht, dass die Anwältin Für und Wider gegeneinander abgewogen hatte, wie sie es immer tat. Und ganz sicher hatte sie mit Laras Kolleginnen, die sie während ihrer Abwesenheit vertreten hatten, nicht die besten Erfahrungen gemacht. Im Gegensatz zu Lara waren diese Damen es nicht gewöhnt, für einen korrekten Chef zu arbeiten. Dennoch war Lara dankbar für die Zeit, die Frau Stanitz ihr gegeben hatte, um ihre Arbeit wieder so zu erledigen, wie es nötig war.
»Ich werde es versuchen«, antwortete sie.
Frau
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