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Der letzte Massai

Der letzte Massai

Titel: Der letzte Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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verhängen und die Aufmerksamkeit auf das Fieber zu lenken würde lediglich die Siedler aufregen und wohl kaum unsere Aussichten verbessern, die Massai dorthin umzusiedeln, nicht wahr?« Er schaute Delamere demonstrativ an.
    Delamere nickte. »Ich begreife, was Sie meinen, Sir.« Er erlaubte sich ein Lächeln. Er glaubte nicht, dass er Schwierigkeiten haben würde, seine neuen Blutsbrüder davon zu überzeugen, an dem Treffen teilzunehmen. »Wenn Sie Lenana überreden können, den Umzug in Betracht zu ziehen, dann werde ich mich bemühen, dass die Gruppe aus dem Norden ebenfalls mitmacht«, sagte er. »Wollen wir doch einmal sehen, ob wir uns nicht auf ein paar hilfreiche Lösungen verständigen können.«
     
    Als Coll auf seiner erschöpften Stute über die Hügellandschaft des Laikipia-Plateaus ritt, wurde er wieder einmal daran erinnert, wie unverwüstlich die Hochebenen waren. Im Vergleich zu der Dürre anderswo hielt sich Laikipia recht gut. Hier war das Land nicht völlig vertrocknet wie in den südlichen Lagen des Great Rift Valley.
    Die Massai nannten diesen Teil ihres Territoriums Entorror. Abgeleitet vom Maa-Verb
a-rror,
was so viel bedeutete wie: zu Boden fallen. Coll interpretierte es so, dass sich das Wort auf die Fülle an Gras bezog, von dem hier so viel vorhanden war, dass ein Mann mit seinem Vieh niemals weiterziehen musste.
    Der Brauch der Massai, ihre Rinder von einem Ort zum anderen zu treiben, um die Belastung des Landes zu senken, war der Schlüssel zu ihrem Erfolg als Viehzüchter. Coll vertrat die Ansicht, dass viele der Siedler von ihren Praktiken lernen konnten. Das war der Hauptgrund, warum sich das Gras des Laikipia-Plateaus in den letzten Jahren weiter verbessert hatte und amtliche Zahlen zeigten, dass sich die Herde der Massai seit ihrem Umzug aus dem Rift Valley im Jahre 1904 auf beinahe zweihunderttausend Tiere verdreifacht hatte. In schwierigen Zeiten war das kleinere Vieh von ebenso großer Wichtigkeit für das Überleben der Massai. Die Purko hatten beinahe eine Million Schafe und Ziegen angesammelt.
    Trotz der Größe des nördlichen Reservats und des verhältnismäßig guten Weidelands waren die ersten Monate des Jahres 1910 ausgesprochen schwierig gewesen. Die Massai waren im vergangenen Jahr vielerorts entlang des Uaso-Nyiro-Flusses aus ihrem Reservat ausgebrochen und hatten sich Strafen und Bußen in Form von Vieh eingehandelt. Dies hatte Coll nur in seiner Annahme bestärkt, dass das Reservat vergrößert werden musste. Er hatte Governor Stewart vor einigen Jahren davon überzeugen können, es zu erweitern, doch war es ihm bislang nicht gelungen, Governor Edouard zu einer erneuten Vergrößerung zu bewegen.
    Er befand sich auf Wunsch des Gouverneurs in Laikipia. Edouard wollte sicherstellen, dass die Anführer Ole Sadera und Mantira sich des Verbots der
Eunoto
-Zeremonie bewusst waren. Coll war zum Jagdaufseher befördert worden, dennoch fand er, dass es sich dabei um einen eigenartigen Auftrag handelte. Für gewöhnlich übermittelte der
Laibon
sämtliche Verwaltungsanordnungen dieser Art. Aber Coll hatte nichts dagegen, den Ritt zu unternehmen. Die trockene Luft hier oben war gut für seine Brust und würde ihm vielleicht helfen, zur Ruhe zu kommen, denn seine ungeklärte Beziehung zu Katherine ließ ihn nur schlecht schlafen.
    Er ritt in die
Manyatta
der
Moran
in Rumuruti und fand schon bald Ole Sadera.
    »Swara, mein Freund, du bist gekommen«, sagte der
Olaiguenani
und legte Coll eine Hand auf die Schulter.
    Coll erwiderte die Geste. »Ich hoffe, deinen Rindern geht es gut«, sagte er. Aufgrund ihrer beider Unsicherheit, welche Begrüßung und Anrede angemessen war, hatte Ole Sadera schon sehr früh vorgeschlagen, dass sie eine eigene erfanden – ein Kompromiss zwischen dem Händeschütteln des weißen Mannes und dem Anspucken der Massai. Ihre persönliche Art, sich zu begrüßen, bestand nun darin, einander die Hand auf die Schulter zu legen.
    »Geht es dir gut?«, erkundigte sich Ole Sadera. Sein Tonfall verlieh seiner Frage eine tiefere Bedeutung.
    »Danke, Parsaloi, es geht mir gut.« Coll wollte kein Gespräch über seinen Gesundheitszustand führen. »Woher wusstest du, dass ich komme?« Er lenkte sogleich von dem Thema ab.
    Ole Sadera lächelte. »Das Gras hat Ohren.« Es war ein Sprichwort der Massai und ging auf Maa wunderbar leicht von den Lippen.
    Eine alte Frau brachte eine Kalebasse mit frischer Milch und reichte sie Coll. Die beiden Männer setzten sich

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