Der letzte Massai
auf niedrige Hocker, und Coll nahm einen Schluck des warmen Getränks. Er hatte sich immer noch nicht an den Geruch der Kalebassen gewöhnt, musste aber zu seiner Erleichterung beim Trinken nicht mehr würgen.
Coll und Ole Sadera plauderten eine Weile angeregt miteinander. Doch trotz Colls Bemühungen kehrte Ole Sadera wieder zu der Frage nach Colls Gesundheit zurück und sagte, dass er blass aussehe.
»Ich bin nur erschöpft«, erwiderte Coll mit einer verächtlichen Handbewegung. »Es war ein langer, ermüdender Monat. Kein Grund, sich Sorgen zu machen.«
»Die gekochte Rinde des roten Dornbaums ist, mit Ghee vermischt, überaus nützlich gegen Husten.«
»Es geht mir wirklich gut.«
»Ich kann dir von einer der Frauen etwas davon zubereiten lassen. Es dauert nicht lang.«
»Nein«, sagte Coll verärgert und verzweifelt zugleich. »Vielen Dank, Parsaloi. Ich habe wirklich all die Medizin, die ich benötige.«
Ole Sadera wechselte das Thema. »Welche Neuigkeiten gibt es aus Nairobi?«, fragte er.
Coll hatte gehofft, ihm die Nachricht schonend beizubringen, aber stattdessen sagte er direkt: »Der Gouverneur hat die
Eunoto
-Zeremonie verboten, mein Freund.«
»Ich weiß.«
»Woher?«, erkundigte sich Coll überrascht.
Ole Sadera zuckte lediglich mit den Schultern.
»Es tut mir sehr leid«, sagte Coll. »Ich weiß, wie wichtig die
Eunoto
dir und deinem Volk ist.«
»Kein Grund, betrübt zu sein, Swara. Wir werden unsere eigene
Eunoto
hier in Entorror abhalten.«
»Aber das wird Lenana doch gewiss nicht erlauben!«
»Lenana hat sich in Entorror nie sehen lassen. Er ist ein Fremder hier. Viele der jungen Männer haben ihn noch nie zu Gesicht bekommen. Mantira und ich sind die einzigen Anführer, die sie anerkennen. Wir
Moran
werden uns nicht um die
Eunoto
bringen lassen. Wir werden unsere Körper mit Ocker anmalen, tanzen und unser Festmahl abhalten.«
»Wäre es nicht besser, wenn der
Laibon
seinen Segen gäbe?«
»Ich werde es den
Laibon
wissen lassen. Er kann kommen, wenn er will, oder er bleibt in Ngong. Das ist unerheblich.«
Coll saß schweigend da und zupfte an einem trockenen Grasstengel.
»Du schleppst doch etwas mit dir herum, Swara. Hast du noch weitere Neuigkeiten für mich?«
Coll sah seinen Freund an. »Ja, die habe ich.« Er hielt für einen Moment inne, bevor er fortfuhr: »Der Gouverneur hat den Korridor zum Reservat im Süden geschlossen.«
Ole Sadera wirkte schockiert. Er wandte seinen Kopf nach Süden und starrte lange Zeit in die Ferne, bevor er sprach. »Wie werden wir unsere Massai-Familie zusammenhalten?«
»Es tut mir leid, Parsaloi. Ich habe keine Ahnung, warum er das getan hat.«
»Weißt du, Swara, mein Freund Mantira hat mich ein Sprichwort gelehrt, als ich noch ein junger
Morani
war. Es lautet:
Klug ist das Auge, das umhergewandert ist.
Er sagte mir, dass es die Pflicht eines jeden Kriegers sei, ganz Massai-Land zu sehen und auf diese Weise so viel wie möglich von seinen Kriegsbrüdern zu lernen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe es getan. Ich bin vor vielen Jahren im Süden gewesen und habe von meinen fernen Brüdern gelernt. Wie soll sich unsere nächste Kriegergeneration all dies aneignen?«
Er wandte sich wieder nach Süden und fragte nach einem Augenblick des Schweigens: »Werden wir Entorror verlieren?«
»Entorror? Entorror ist deine Heimat, Parsaloi. Nein, das gewiss nicht. Hier bist du sicher.«
Ole Sadera war nicht beruhigt. »Weißt du denn nicht mehr, Swara? Die Massai besaßen einst eine Heimat, die sich von einem Himmel zum anderen erstreckte.«
Coll rutschte auf seinem Hocker herum. »Ja, aber ihr besitzt immer noch zwei große Reservate. Und die gehören euch, solange die Massai als ein Volk existieren, so lautet die Vereinbarung. Hier in Entorror seid ihr sicher. Eure Herden wachsen von Tag zu Tag. Alles ist gut.«
»Warum hat der Gouverneur den Korridor geschlossen?«, fragte Ole Sadera unvermittelt.
»Nun … ich weiß es nicht genau …« Coll hatte mit einem Mal einen Kloß im Hals und hustete. »Ich bin mir sicher, dass es so besser ist«, fügte er lahm hinzu.
»Irgendetwas stimmt nicht, Swara. Ich spüre es.« Ein besorgter Ausdruck verdüsterte das Gesicht des
Olaiguenani.
»Irgendetwas stimmt ganz und gar nicht.«
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Kapitel 25
K atherine erlaubte sich das Vergnügen, den Wagen voller Mais persönlich nach Nairobi zu fahren, anstatt ihn von ihrem Käufer auf der Farm abholen zu lassen. Der Ausflug
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