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Der letzte Massai

Der letzte Massai

Titel: Der letzte Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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es sich um ein Fleischessen handelte, sah sich Coll in seiner Vermutung bestätigt, dass etwas Ungewöhnliches unter der Kriegergruppe vor sich ging. Die
Moran
schlachteten in einem solchen Lager eines ihrer Rinder und veranstalteten ein Festessen, in dem Glauben, dass es ihnen Kraft und Mut verleihen würde. Ein solches Lager wurde meist am Vorabend eines wichtigen Ereignisses aufgeschlagen und ging oft einem Kampf voraus.
    Die Bedeutung des Lagers und die Art und Weise, in der Ole Nakola und die Ältesten es verschwiegen hatten, verursachte ein Gefühl der Enge in Colls Brust. Er begann nach Luft zu ringen und wurde von einer nervösen Unruhe erfasst.
    Viele hatten prophezeit, dass die Massai irgendwann Vergeltung üben würden. Die ersten Siedler hatten schreckliche Geschichten über ihre berüchtigte Blutrünstigkeit erzählt.
    Coll fürchtete, dass die Zeit für die Massai gekommen war, aufzubegehren.
     
    Lange bevor Coll die Stelle erreicht hatte, wo Ole Sadera sein Fleischessen abhielt, konnte Coll schon den hallenden Gesang von hundert dröhnenden Bassstimmen vernehmen.
    Als er sich dem Wald näherte, in dem sich Ole Sadera nach Auskunft der Ältesten aufhielt, wurde der Gesang immer lauter und gewann an Intensität, bis er alles durchdrang und zu einem Teil der dunklen Landschaft selbst geworden zu sein schien. Es war ganz so, als habe sich ein Riese hier niedergelassen, der den Wald mit seinem Atem erfüllte.
    Nachdem sie sich den Weg durch ein Stück besonders dichtes Buschland gebahnt hatten, blieb der kleine Massai-Junge, der als sein Führer diente, unvermittelt stehen, so dass Coll über ihn stolperte und auf eine Lichtung taumelte. Glänzende schwarze Körper halbnackter Krieger, geschmückt mit rotem, gelbem und weißem Ocker, umkreisten ein loderndes Feuer. Nach jedem Schritt gab es eine dramatische Pause, in der Brust und Schultern im Rhythmus zum Gesang vorgestreckt wurden.
    Unvermittelt sprang ein
Moran
mit einem »Jip-Jip-Jip«-Schrei in den Kreis und begann mühelos, in die Luft des frühen Abends hochzuspringen. Sein Körper glitzerte im Licht des Feuers, und seine rote
Shuka
flatterte um die straffen, hervortretenden Muskeln seiner Beine.
    Die ihn umringenden Krieger schlugen ihre Kriegsschilde im Takt zu seinen Sprüngen auf den Boden.
    Die Kraft und die Schönheit des Schauspiels, das sich ihm darbot, fesselte Coll.
    Von Coll unbemerkt, trat eine Gestalt aus der Dunkelheit hinter ihn, und eine Hand packte seinen Arm und zog ihn von der Lichtung weg.
    »Parsaloi!«, keuchte er erschrocken.
    »Swara, du bist hier.« Ole Sadera klang nicht erfreut.
    »Als du nicht im
Enkang
zu finden warst, habe ich mir Sorgen gemacht, dass du krank sein könntest«, sagte Coll und fragte sich, warum er es für nötig befand, eine Entschuldigung zu erfinden.
    Ole Sadera verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln. »Vielleicht bin ich das ja, mein Freund.«
    »Oh? Wie das?«
    »Was führt dich heute Abend hierher, Swara?«
    Die Frage war ein wenig brüsk und entsprach so gar nicht der gewohnten Höflichkeit der Massai. Coll fühlte sich überrumpelt und stammelte eine Antwort. »Ich … Ich wollte mit dir … Also, ich wollte mit dir über das Treffen in Ngong reden. Das Lenana einberufen hat.«
    Ole Sadera wandte sich von Coll ab und richtete seinen Blick auf die tanzenden Il Tuati. »Ich verstehe«, sagte er.
    »Nun ja …« Mittlerweile war es Coll klar, dass etwas nicht stimmte. »Du wirst doch kommen?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Ich werde mich nicht gegen die anderen stellen, aber ich kann die Vereinbarung nicht unterzeichnen.«
    »Aber wieso? Ich dachte, die Massai wären sich einig. Ich habe gehört, dass es an der Zeit sei, dass ihr euch zum Wohle des Stammes vereint. Und dass es in Laikipia zu wenig Weideland gibt. Welche Befüchtungen hegst du?«
    Ole Sadera warf Coll einen Blick zu, und für einen Moment ließ seine Anspannung nach. Er holte tief Luft, bevor er antwortete.
    »Ich fürchte die Entscheidungen, die zu treffen sind, Swara. Wie kann ich mir sicher sein, was das Beste für meine Brüder ist? Wenn wir in Entorror bleiben und alle anderen weggehen, was wird dann aus den Il Tuati werden? Was passiert, wenn die Zeit kommt, in die Gruppe der Ältesten zu wechseln, zu heiraten und eine Familie zu gründen? Wer wird uns seinen Segen geben? Wer wird mit uns feiern? Wer wird uns Ehefrauen suchen? Und auch wenn es das Richtige für die Il Tuati ist, allein hier zu bleiben, was werden die

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