Der letzte Massai
zwölftausend. Sie täten gut daran, diese Zahlen im Kopf zu behalten, bevor Sie die gesellschaftliche Revolution herbeiführen, die Sie und Ihre Freunde zu befürworten scheinen.«
Lord Delamere klopfte mit seiner Reitgerte auf das Pult in der Bibliothek des Muthaiga Clubs und bat um Ruhe.
Das Stimmengemurmel verebbte langsam. Delamere wartete, bis völlige Stille herrschte, bevor er zu sprechen begann.
»Da es sich hier heute um ein inoffizielles Treffen handelt, werde ich auf die ansonsten bei Versammlungen der Kolonistenvereinigung herrschenden Modalitäten verzichten und stattdessen unseren Gouverneur, Sir Percy Edouard, ersuchen, uns eine vertrauliche Zusammenfassung einiger wichtiger Entwicklungen zu geben.« Er wies in Richtung Edouards. »Sir Percy, wenn ich bitten darf.«
Der Gouverneur schritt unter höflichem Applaus zum Pult. »Guten Abend, meine Herren«, sagte er lächelnd. »Ich danke Ihnen, dass Sie mich heute zu Ihrer Versammlung eingeladen haben.
Bevor ich auf die vorliegende Angelegenheit zu sprechen komme, würde ich gern die Gelegenheit nutzen und ein paar persönliche Betrachtungen bezüglich der Dinge äußern, die einige Aufmerksamkeit in der Presse hier und daheim erregt haben. Ich beziehe mich dabei natürlich auf das Getöse um die Nutzung von Kronland hier in Britisch-Ostafrika. Sie dürften sich mehr als jeder andere der Tatsache bewusst sein, wie knapp Land jedweder Art hier im Protektorat ist.«
Edouard zog ein Monokel aus seiner Westentasche und blickte auf seine Notizen hinab, bevor er fortfuhr: »Es dürfte Sie beispielsweise nicht überraschen, dass mehr als vier Fünftel von Britisch-Ostafrika aus Steppe besteht und dass ein Großteil des landwirtschaftlich nutzbaren Landes oberhalb von fünftausend Fuß zu finden ist.
Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Ein Teil der Presse klagt und jammert darüber, dass den Eingeborenen das Land abspenstig gemacht wird, aber sie verstehen dabei nicht, dass es herzlich wenig davon gibt, das auch nur einen Pfifferling wert ist, und dass man mit dem wenigen guten Land sparsam umgehen muss, wenn es nach der beträchtlichen Investition unserer Regierung etwas einbringen soll.«
Zustimmendes Gemurmel erhob sich aus dem Publikum.
»Mr. Joseph Chamberlain, der meiner Ansicht nach der beste Kolonialminister gewesen ist, den wir in den letzten Jahren gehabt haben, hat einmal gesagt, dass die angelsächsische Rasse die größte unter den herrschenden Rassen ist, die die Welt jemals gesehen hat. Seinen Worten nach reicht es nicht aus, große Teile der Welt einzunehmen, wenn man nicht das Beste daraus machen kann. Es ist die Pflicht eines jeden Grundherrn, seinen Besitz nutzbar zu machen. Folglich hat Chamberlain die Investition in Afrika befürwortet. Meine Herren, ich kann Chamberlains Auffassung nur beipflichten.«
Beifall erhob sich im Raum.
Als er verklungen war, sagte Edouard: »Und nun zu dem Grund für unser heutiges Beisammensein. Ich freue mich, dass Lord Delamere diese kleine Unterhaltung bei seiner Einführung als ›vertraulich‹ bezeichnet hat. Die Angelegenheit, über die ich heute Abend mit Ihnen sprechen möchte, ist noch nicht unter Dach und Fach, wie es so schön heißt, aber ich bin zuversichtlich, dass wir sie in den nächsten Tagen zum Abschluss bringen werden.
Die meisten von ihnen wissen, dass die Massai ihr Reservat im Norden verlassen möchten, um mit ihren Stammesbrüdern im Süden vereint zu werden. Die neue Vereinbarung, die wir nun aufgesetzt haben, sieht vor, dass viereinhalbtausend Quadratmeilen der Laikipia-Hochebene im Austausch für eine erhebliche Erweiterung des Reservats im Süden aufgegeben werden. Ein überaus großzügiges Angebot, wie Sie mir sicherlich zustimmen werden.
Leider fand das Vorhaben vor einigen Monaten aufgrund eines kleinen Durcheinanders in London ein frühzeitiges Ende. Nun, wie dem auch sei, jetzt ist alles geklärt, und ich rechne damit, dass das Laikipia-Plateau schon bald für nutzbringendere Tätigkeiten zur Verfügung stehen wird.«
Aufgeregtes Geplapper erfüllte die Bibliothek. Edouard hob, um Ruhe bittend, die Hand.
»Dies bedeutet, dass es zu großen Bewegungen der Massai und ihrem Vieh durch das Great Rift Valley und das Umland kommen wird. Wir schätzen, dass über zehntausend Massai mit zirka hundertfünfundsiebzigtausend Rindern und mehr als einer Million Schafen und Ziegen nach Süden ziehen werden.« Er ließ die Zahlen für einen Moment ins Bewusstsein
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