Der letzte Massai
schaffen?«
»Alles, was ich sehe, sind armselige kleine Männer, die hoch hinauswollen und scheitern und stattdessen mit Lügen und Unwissen handeln, um diejenigen zu erledigen, die mehr Talent besitzen als sie.«
»Mehr Talent? Hah!« Lewis’ Beschämung hatte sich in glühende Feindseligkeit verwandelt. »Wie viel Talent braucht es denn, um Eingeborene – mit vorgehaltenen Waffen, wohlbemerkt – dazu zu bringen, Ihren Verordnungen zu folgen?«
»Während Sie Ihren Patienten Tee und Trost verabreichten, mag es Ihnen entgangen sein, dass ich versuche, hier in Britisch-Ostafrika den Besitz der Regierung zu verwalten – und das mit all seinen Erfordernissen.«
»Und genau das ist der Punkt, Edouard. Für Sie ist das nur ein weiterer britischer Besitz, den es gilt, im besten Interesse eines abwesenden Gutsherrn zu verwalten. Verraten Sie mir doch eines – und ein Mann mit solch unbestrittenen Talenten wie den Ihren sollte darin keine Herausforderung sehen: Wie rechtfertigt die britische Regierung ihr Tun? Ich wage zu behaupten, dass es schon schlimm genug ist, wenn wir ein Land mit Waffengewalt erobern, aber hier, nun, hier sind wir im Grunde nichts weiter als die Verwalter eines Landes, das sich noch im Besitz von anderen befindet.«
»Wenn diese Besitzer, wie Sie sie zu bezeichnen geruhen, nicht imstande oder nicht willens sind, das Land zu bearbeiten, um Beiträge an diejenigen zu leisten, die ihnen die Vorteile der Zivilisation gebracht haben, ja, dann ist es unsere Pflicht, die Arbeitsmittel zu enteignen.«
»Und wer hat um diese Vorteile gebeten? Und um welchen Preis wurde ihre Beschaffung verhandelt?«
»Ich hege nicht den geringsten Zweifel, dass Sie in den Fragen der Wissenschaft ein gebildeter Mann sind, Doktor, aber bitte überlassen Sie die Staatsangelegenheiten denen, die ihre Komplexität verstehen.«
»Es braucht nicht viel, um die Situation hier zu verstehen.«
»Aha! Unser guter Doktor hat Erkenntnisse gewonnen. Klären Sie mich auf.«
»Wir haben diesen Teil Afrikas nicht betreten, um die fragwürdigen Vorteile europäischen Lebens weiterzugeben, sondern um unsere unterschiedlichen und rivalisierenden Vorstellungen von Religion zu verbreiten.«
»Oho! Ein heiliger Krieg«, spöttelte Edouard.
»Nicht ganz, aber nachdem Livingstone durch seinen bedauernswerten, aber heroischen Tod zu Hause den missionarischen Eifer geweckt hatte, begann das Rennen um die Erlangung der Seelen – die Franzosen mit ihrem Katholizismus und wir mit unserem Protestantismus. Als sich herausstellte, dass die Eingeborenen davon ganz und gar nicht entzückt waren und ein paar Schädel einschlugen, schickten wir unsere Truppen, um ihnen das richtige Benehmen beizubringen. Natürlich entwickelte sich die militärische Präsenz schon bald zu einer militärischen Konfrontation.«
»Dr. Lewis, Sie wollen mir doch hoffentlich nicht weismachen, dass Sie jetzt auch noch ein Experte für geopolitische Fragen sind, oder?«
»Man muss kein Experte sein, um nachvollziehen zu können, was dann folgte. Um den Franzosen zuvorzukommen, von denen wir glaubten, sie hätten den Oberlauf des Nils im Visier, bauten wir eine Eisenbahnlinie nach Uganda. Und es war dieser Eisenbahnkorridor – ein Streifen von einer halben Meile nur –, der zu dem Gedanken von der Vergabe von Kronland in Britisch-Ostafrika führte. Nach der Schaffung dieses Präzedenzfalles war es ein Leichtes, den rechtmäßigen Besitzern nach und nach ihr Land zu entreißen, das ihnen seit vielen Generationen gehört. Diesem sogenannten Protektorat kommt weder faktisch noch rechtlich Bedeutung zu. Niemand wird vor den habgierigen Forderungen der Siedler geschützt. Und auch nicht vor ihrem parteiischen Gouverneur.«
»Jetzt reicht es mir aber! Bei all Ihren fantasievollen Theorien haben Sie mir nicht eine einzige Begründung dafür geliefert, was Sie am heutigen Abend in meinem Amtszimmer zu schaffen hatten, Dr. Lewis.«
Edouards Änderung der Angriffstaktik ließ Lewis verstummen.
»Wie ich sehe, haben Sie, was das betrifft, weniger Ideen. Dann erlauben Sie, dass ich Ihnen meine Gedanken zu diesem Thema unterbreite. Könnte es sein, dass Sie, nachdem Ihre jüngsten Versuche, meine Behörde daheim zu diffamieren, vereitelt wurden, nun versuchen, an weiteres Material zu gelangen, um es Ihrem Konfidenten, dem Führer der Labour-Partei, zukommen zu lassen?«
Lewis entschied sich, jeglicher Diskussion in Bezug auf diese Angelegenheit aus dem Weg zu
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