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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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klagte Falkenauge, als er eine Weile mit dem Kolben seiner Büchse in dem Laube gewühlt hatte; »es ist ein sicheres Zeichen, dass das Alter naht, wenn einem das Gesicht abzunehmen anfängt. Ein so glitzerndes Ding und soll nicht zu finden sein! Nun, ich kann doch noch, selbst wenn’s trübe ist, über den dunklen Lauf einer Büchse hinschielen, und das ist genug, um allen Streit zwischen mir und den Mingos zu schlichten. Gerne möchte ich das Ding wiederfinden, wär’s auch nur, um es der rechten Eigentümerin wiederzubringen, und das hieße die zwei Enden einer langen Fährte hübsch zusammengebracht – denn jetzt ist der breite St. Lorenz oder vielleicht selbst die großen Seen zwischen uns.«
    »Umso mehr Grund für uns, den Marsch nicht aufzuschieben«, versetzte Heyward, »ziehen wir sogleich weiter!«
    »Junges Blut und heißes Blut, sagt man, sind alle Zeit beieinander. Es gilt nicht, Eichhörnchen zu jagen, oder ein Wild in den Horican zu treiben: Wir sind Tage und Nächte unterwegs und müssen durch eine Wildnis, die selten ein Menschenfuß betritt, und wo Eure Bücherweisheit Euch nicht unversehrt durchbringen würde. Ein Indianer unternimmt nie einen solchen Zug, ohne zuvor an seinem Versammlungsfeuer zu schmauchen; und obgleich ich ein Mann von weißer Abstammung bin, so ehre ich doch auch diesen Punkt ihrer Sitte, da ich sehe, dass sie weise und wohl überlegt ist. Wir wollen daher zurück, heute Nacht unser Feuer in den Ruinen des alten Forts anzünden, und am Morgen frisch und gestärkt das Werk wie Männer beginnen, und nicht wie plaudernde Weiber und unbesonnene Knaben.«
    Heyward sah an dem Benehmen des Kundschafters, dass jede Einrede vergeblich wäre. Munro war in jenen Zustand von Teilnahmslosigkeit zurückversunken, aus dem er seit den letzten überwältigenden Unglücksfällen nur durch neue und lebhafte Eindrücke aufgerüttelt werden konnte. Aus der Not eine Tugend machend, nahm der junge Mann den Veteran unter dem Arm und folgte den Schritten der Indianer und des Kundschafters, welche bereits den Rückweg nach der Ebene eingeschlagen hatten.

19
Salarino: Nun ich bin’s gewiss, wenn er dir verfällt,
 so nimmst du doch sein Fleisch nicht, zu was wär’s nütze?
Shylock: Um Fisch damit zu angeln: Und sättigt’ es sonst
 nichts, so sättigt’s meine Rache.
WILLIAM SHAKESPEARE
    Die Schatten des Abends hatten das Unheimliche des Platzes noch vermehrt, als die Reisenden die Ruinen von William Henry betraten. Der Kundschafter und seine Begleiter trafen sogleich Anstalten für die Nacht, aber mit einem Ernste und einer Besonnenheit, welche den tiefen Eindruck verrieten, den der schreckliche Anblick, den sie gehabt hatten, selbst auf ihre abgehärtete Natur hatte ausüben müssen. Einige Trümmer von Balken wurden an eine geschwärzte Wand gelehnt, und nachdem Uncas sie leicht mit Gestrüpp überdeckt hatte, schienen sie ein genügendes Obdach darzubieten. Der junge Indianer deutete auf die einfache Hütte hin, als seine Arbeit zu Ende war, und Heyward, welcher den Sinn dieser schweigsamen Gebärde verstand, drang freundlich in Munro, einzutreten. Indem er den alten verlassenen Mann mit seinem Kummer allein ließ, trat er in die freie Luft zurück; denn er fühlte sich zu aufgeregt, um selbst der Ruhe zu genießen, die er soeben seinem alten Freunde empfohlen hatte.
    Während Falkenauge und die Indianer ein Feuer anzündeten und ihre frugale Abendmahlzeit, aus gedörrtem Bärenfleisch bestehend, verzehrten, begab sich der junge Mann auf einen Zwischenwall des zerstörten Forts, der auf die Wasserfläche des Horican hinaussah. Der Wind hatte sich gelegt, und die Wogen schlugen bereits in regelmäßiger, minder ungestümer Folge an das sandige Ufer unter ihm. Die Wolken zerteilten sich, als wären sie ihres wütenden Treibens müde; und die schwereren unter ihnen sammelten sich in schwarzen Massen um den Horizont, während die leichteren über das Wasser dahinglitten oder um die Gipfel der Berge wirbelten, dem unterbrochenen Fluge gescheuchter Vögel gleich, die um ihre Nester flattern. Hie und da rang sich der rote, funkelnde Schimmer eines Sterns durch die treibenden Nebel und goss ein schwaches Dämmerlicht über den finsteren Himmel.
    Im Schosse der umgebenden Berge ruhte bereits undurchdringliche Finsternis, und die Ebene lag wie ein weites, ödes Beinhaus vor ihm, ohne dass selbst das leiseste Geflüster den Schlummer der zahlreichen auf ihr liegenden Unglücklichen zu

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