Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Jagen in mir fühle.«
Duncan, der nun die Natur des Geräusches erfahren zu haben glaubte, das ihn beunruhigt hatte, ging in seiner Antwort näher auf den Gegenstand ein, den der Kundschafter sich zur Unterhaltung ausersehen hatte.
»Es ist schwer«, sagte er, »die Gefühle zu beurteilen, die bei jenem letzten großen Wechsel sich aufdringen mögen.«
»Das wäre freilich ein Wechsel für einen Mann, der seine Tage unter freiem Himmel verlebt und so oft an den Quellen des Hudson seinen Morgenimbiss eingenommen hat«, versetzte der schlichte Kundschafter, »wenn er im Bereich eines heulenden Mohawk sein Schläfchen halten sollte. Aber es ist ein Trost zu wissen, dass wir einem barmherzigen Herrn dienen, wenn’s auch jeder auf seine Weise tut, und viele Wildnisse zwischen uns liegen. – Was war das?«
»Ist das nicht der Tritt der Wölfe, von denen Ihr gesprochen habt?«
Falkenauge schüttelte langsam den Kopf und winkte Duncan, nach einer Stelle zu kommen, die das Feuer nicht beleuchtete. Nach dieser Vorsichtsmaßnahme nahm er die Stellung der gespanntesten Aufmerksamkeit ein und horchte lang und scharf, ob sich der so unerwartete leise Laut nicht wiederholen würde. Er schien jedoch vergeblich zu lauschen, denn nach einer Minute fruchtloser Stille flüsterte er Duncan zu:
»Wir müssen Uncas rufen, der Junge hat indianische Sinne und hört, was uns ganz verborgen bleibt: Denn ich, als eine weiße Haut, kann meine Natur nicht verleugnen.«
Der junge Mohikaner, der sich am Feuer leise mit seinem Vater unterhielt, fuhr auf, als er den Ruf einer Eule vernahm, und blickte nach den schwarzen Erdwällen, als suche er den Ort, woher der Laut ertönte. Der Kundschafter wiederholte den Schrei, und in wenigen Augenblicken sah Duncan Uncas Gestalt vorsichtig nach der Brustwehr heranschleichen, wo sie standen.
Falkenauge teilte ihm in kurzen Worten seine Wünsche in delawarischer Sprache mit; und sobald dieser vernommen hatte, um was es sich handle, warf er sich mit dem Gesicht auf die Erde, wo er, wie es Duncan schien, ruhig und regungslos liegen blieb. Verwundert über die unbewegliche Lage des jungen Kriegers, und neugierig zu beobachten, wie dieser die gewünschten Erkundigungen einziehen werde, trat Heyward einige Schritte vor und bückte sich zu dem dunklen Gegenstand nieder, auf den er seine Augen geheftet hielt, entdeckte aber, dass Uncas verschwunden, und was er erblickte, nur der dunkle Umriss hervorstehender Trümmer war.
»Was ist aus dem Mohikaner geworden?«, fragte er den Kundschafter, indem er sich erstaunt wieder umwandte; »ich sah ihn hier niederfallen und hätte geschworen, dass er hier auch geblieben sei!«
»Bst! Sprecht leiser: Denn wir wissen nicht, was für Ohren uns belauschen, und die Mingos sind eine scharfsichtige Brut. Uncas ist auf der Ebene, und die Maquas, wenn welche um uns sind, bekommen vollauf mit ihm zu tun.«
»Ihr glaubt, Montcalm habe nicht alle seine Indianer weggezogen? Wir wollen den Unseren rufen und zu den Waffen greifen. Wir sind fünf und nehmen es schon mit einem Feinde auf.«
»Kein Wort zu ihnen, wenn Euer Leben Euch lieb ist. Seht den Sagamoren an, ganz wie ein großer Indianerhäuptling sitzt er an dem Feuer! Wenn Lauerer in der Finsternis umherschleichen, so erkennen sie gewiss nicht an seiner Miene, dass wir an Gefahr denken!«
»Aber sie entdecken ihn, und das ist sein Tod. Seine Gestalt ist am Scheine des Feuers zu deutlich sichtbar, und er wird das erste und sicherste Opfer sein.«
»Die Wahrheit Eurer Worte ist unleugbar«, antwortete der Kundschafter, mehr als gewöhnliche Unruhe verratend, »aber was ist zu tun? Ein einziger Blick des Verdachts führt einen Angriff herbei, ehe wir zum Widerstand uns bereitet haben. Aus dem Zeichen, das ich Uncas gegeben habe, weiß er, dass wir Unrat wittern. Ich will Chingachgook bedeuten, dass wir den Mingos auf der Spur sind: Sein Indianerinstinkt wird ihm sagen, was er zu tun hat.«
Der Kundschafter hielt die Finger an den Mund und ließ einen leisen, zischenden Laut hören, über welchen Duncan zuerst zur Seite fuhr, als hätte er eine Schlange gehört. Chingachgooks Haupt ruhte auf seiner Hand, und er schien in Gedanken versunken. Sobald er aber den warnenden Laut des Tieres vernahm, dessen Namen er trug, richtete er sich auf und seine dunklen Augen blickten schnell und scharf nach allen Seiten hin. Mit dieser plötzlichen und vielleicht unwillkürlichen Bewegung war jeder Anschein von Überraschung und Unruhe
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