Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
nachblickte. Ein Strahl des Frohlockens schoss über die dunkelbemalten Gesichtszüge des Waldbewohners, als er sah, welche Richtung seine arglosen Schlachtopfer eingeschlagen hatten. Den lichten und anmutigen Gestalten der Frauen, welche zwischen den Bäumen dahinschwebten, folgte durch die Krümmungen des Weges die männliche Gestalt Heywards, bis schließlich die unförmige Person des Singmeisters unter den zahllosen Baumstämmen verschwand, die sich in düsteren Linien dazwischen erhoben.
3
Eh’ man die Felder noch gepflügt,
Voll bis zum Rand die Flüsse strömten.
Der Wasser Melodie erfüllt’
Den frischen, weiten Wald, es rauschten
Waldströme, und das Bächlein spielt’,
Und in dem Schatten sprangen Quellen.
WILLIAM CULLEN BRYANT
Wir lassen den argwohnlosen Heyward und seine ihm vertrauenden Begleiter noch tiefer in den Wald eindringen, der so verräterische Bewohner in sich schloss, und bedienen uns der Freiheit des Schriftstellers, die Szene einige Meilen weiter westlich von dem Orte, wo wir sie zuletzt gesehen haben, zu versetzen.
An jenem Tage schlenderten zwei Männer an dem Ufer eines kleinen, aber reißenden Stroms, ungefähr eine Tagesreise von dem Lager Webbs, als harrten sie der Ankunft eines Dritten, oder der Annäherung eines erwarteten Ereignisses. Das weite Laubdach des Waldes dehnte sich an dem Rande des Flusses aus, indem es das Wasser überhing und seine dunklen Fluten mit noch tieferem Dunkel überschattete. Die Strahlen der Sonne fingen bereits an schwächer zu werden, und die übermäßige Hitze des Tages sich zu mildern, während kühlere Dünste von Quellen aus ihren Laubbetten emporstiegen und sich mit der Atmosphäre vermischten. Immer noch herrschte in dieser Einsamkeit jene Stille, welche die drückende Schwüle einer amerikanischen Juli-Landschaft charakterisiert, und wurde nur von den leisen Stimmen der Männer, dem gelegentlichen, müden Picken eines Waldspechts, dem unharmonischen Schrei eines bunten Hähers oder dem dumpfen Rauschen eines entfernten Wasserfalls unterbrochen.
Diese schwachen und abgebrochenen Laute waren jedoch den Waldbewohnern zu vertraut, als dass sie ihre Aufmerksamkeit von dem interessanteren Gegenstand ihrer Unterhaltung abgezogen hätten. Während einer dieser müßigen Wanderer die rote Haut und den wilden Aufzug eines Eingeborenen der Wälder hatte, zeigte der andere unter der Hülle roher und fast wilder Bekleidung die hellere, wenngleich sonnenverbrannte und lang verwitterte Farbe eines, der auf europäische Abstammung Anspruch machen durfte. Der eine saß auf dem Rand eines bemoosten Baumstammes in einer Stellung, die ihm vergönnte, die Wirkung seiner ernsten Rede durch die ruhigen und ausdrucksvollen Gebärden des in einem Streitgespräche begriffenen Indianers zu erhöhen. Sein beinahe nackter Leib bot durch die verschlungene Mischung weißer und schwarzer Farbenzüge ein schreckliches Sinnbild des Todes dar. Sein kahl geschorener Kopf, auf dem kein anderes Haar als der wohl bekannte, ritterliche Skalpierschopf belassen worden, war ohne anderen Putz als eine einzige Adlerfeder, die über seinen Scheitel lief und auf die linke Schulter, herunterhing. Ein Tomahawk und ein Skalpiermesser von englischer Arbeit staken in seinem Gürtel, während eine Büchse von der Art, womit die Politik der Weißen ihre wilden Verbündeten bewaffnete, nachlässig über seinen bloßen, sehnigen Knien lag. Die gewölbte Brust, die vollgeformten Glieder und die ernste Haltung dieses Kriegers schienen anzudeuten, dass er sich in der Vollkraft seines Lebens befinde, ohne Spuren der Abnahme seiner Mannheit zu fühlen.
Die Gestalt des Weißen glich, nach den Körperteilen zu schließen, welche er nicht mit dem Kleide bedeckte, jemand, der seit seiner frühesten Jugend Mühseligkeiten zu ertragen und Anstrengungen zu machen gelernt hatte. Seine Person, obgleich muskulös, war eher mager als voll; aber jeder Nerv und Muskel schien gedrungen und durch unausgesetzte Anstrengung und Arbeit abgehärtet. Er trug ein waldgrünes Jagdhemd mit verwittertem Gelb besetzt, und eine Sommermütze von geschorenem Fell. Auch trug er ein Messer in einem Wampumgürtel, gleich dem, der die ärmliche Bekleidung des Indianers umschloss, aber keinen Tomahawk. Seine Mokassins waren nach der Weise der Eingeborenen verziert, während der einzige Teil seiner unteren Bekleidung, der unter dem Jagdrock sichtbar war, aus ein Paar bockledernen Gamaschen bestand, die, auf beiden Seiten verbrämt,
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