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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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hatten dem alten schwachen Manne eine zu harte Probe auferlegt, der Ausdruck seines Auges widersprach seinen bilderreichen, ruhmredigen Worten, während jeder Muskel seines mit Runzeln bedeckten Gesichts vor innerer Qual zuckte. Er blieb noch einen Augenblick stehen, um seinen bitteren Triumph zu genießen, und wandte sich dann ab, als schauderte er bei dem Anblick der Menschen, verhüllte das Gesicht mit seiner Decke und entfernte sich mit dem geräuschlosen Tritte eines Indianers, um in der Abgeschiedenheit seiner eigenen Hütte die Teilnahme einer Gefährtin zu suchen, alt, kummervoll und kinderlos wie er.
    Die Indianer, welche an eine Vererbung der Tugenden und Fehler des Charakters glauben, ließen ihn stillschweigend hinausgehen.
    Als er sich entfernt hatte, zog einer der Häuptlinge, getrieben von einer zarten Rücksicht, die manche gebildetere Kreise der Gesellschaft anstreben dürften, die Aufmerksamkeit der jungen Krieger von der Schwäche ab, von der sie soeben noch Zeugen gewesen waren, und wandte sich in freundlichem Tone an Magua, den letzten Ankömmling.
    »Die Delawaren sind um mein Dorf geschlichen wie die Bären nach den Honigkörben. Aber wer hat einen Huronen je schlafend gefunden?«
    Die finstere, drohende Gewitterwolke, die dem Donnerschlage vorangeht, ist nicht schwärzer denn Maguas Braue war, als er rief:
    »Die Delawaren von den Seen!«
    »Nicht doch. Die, welche Weiberröcke an ihrem eigenen Flusse tragen. Einer von ihnen ist durch den Stamm gegangen.«
    »Haben meine jungen Krieger seinen Skalp genommen?«
    »Seine Beine waren gut, obgleich sein Arm besser für die Hacke als für den Tomahawk taugt«, erwiderte der andere, auf die unbewegliche Gestalt des Mohikaners deutend.
    Statt mit weibischer Neugierde seine Augen an dem Anblick eines Gefangenen zu weiden, dessen Volk er mit so viel Grund hasste, rauchte Magua mit der nachdenklichen Miene fort, die ihm eigen war, wenn seine Arglist oder Beredsamkeit nicht unmittelbar in Anspruch genommen wurde. Obgleich über die in der Rede des alten Vaters kundgewordenen Tatsachen insgeheim verwundert, erlaubte er sich doch keine Frage, jede weitere Ausforschung auf eine schicklichere Zeit aufsparend. Erst nach einer geraumen Weile schüttete er die Asche aus seiner Pfeife, nahm den Tomahawk wieder zu sich, zog den Gürtel fester an und stand auf, zum ersten Mal einen Blick auf den Gefangenen werfend, der etwas hinter ihm stand. Der aufmerksame, obgleich scheinbar in Gedanken vertiefte Uncas bemerkte diese Bewegung, wandte sich plötzlich dem Lichte zu, und ihre Blicke begegneten sich. Fast eine Minute standen diese kühnen, unbeugsamen Geister einander gegenüber, sich fest in das Auge schauend, und keiner schlug den Blick vor dem stolzen Ausdruck des Gegners nieder. Uncas Gestalt hob sich und seine Nasenlöcher öffneten sich gleich denen des verfolgten Tigers; aber so entschieden und unbeugsam war seine Stellung, dass die Einbildungskraft leicht ein treffliches, fehlerloses Abbild der kriegerischen Gottheit seines Stammes aus ihm geschaffen hätte. Die Umrisse der spielenden Züge Maguas waren geschmeidiger; seine Miene verlor allmählich an Trotz, in einen Ausdruck wilder Freude übergehend; er atmete tief auf, den furchtbaren Namen »Le Cerf Agile!« aussprechend.
    Alle Krieger sprangen auf, als dieser wohlbekannte Name genannt wurde, und eine Weile lang wich die stoische Standhaftigkeit der Eingeborenen gänzlich der Gewalt der Überraschung. Der verhasste und doch geachtete Name ward aus aller Munde wiederholt und ertönte selbst über die Grenzen der Hütte hinaus. Die Weiber und Kinder, welche den Eingang belagerten, nahmen ihn auf wie ein Echo, dem ein schrilles, klägliches Geheul folgte. Dieses war noch nicht verhallt, als die Aufregung unter den Männern sich bereits gänzlich gelegt hatte. Alle Anwesenden setzten sich wieder, als schämten sie sich ihrer Übereilung: Aber noch manche Minute ruhten ihre Augen auf dem Gefangenen, einen Krieger mit neugierigen Blicken prüfend, der so oft an den Besten und Stolzesten ihrer Nation seine Tapferkeit bewährt hatte.
    Uncas genoss diesen Sieg, begnügte sich aber, seinen Triumph durch ein ruhiges Lächeln auszudrücken – ein Zeichen der Verachtung, das allen Völkern und Zeiten eigen ist. Magua gewahrte diesen Ausdruck, erhob seinen Arm und schüttelte ihn gegen den Gefangenen, sodass die leichten Silberzierrate an seinen Armbändern von der zitternden Bewegung des Gliedes rasselten,

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