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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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ausgefüllt worden wäre. Indessen besprachen sich die älteren Häuptlinge in der Mitte untereinander in kurzen, abgebrochenen Sätzen. Kein Wort ward gesprochen, das nicht die Meinung des Sprechers auf die einfachste, kräftigste Weise zu erkennen gab. Abermals trat eine lange, feierliche Stille ein. Sie war, wie alle wussten, der ernste Vorbote eines wichtigen und schweren Urteilspruches. Die den äußeren Kreis Bildenden stellten sich auf die Zehenspitzen, um sehen zu können; selbst der Schuldige vergaß für einen Augenblick seine Schmach und gab, von einem stärkeren Gefühle ergriffen, seine niedergeschlagenen Gesichtszüge preis, um einen ängstlichen, unruhigen Blick auf die finstere Versammlung der Häuptlinge zu werfen. Das Stillschweigen ward endlich von dem öfter genannten betagten Häuptlinge unterbrochen. Er erhob sich von der Erde, ging an der unbeweglichen Gestalt des Mohikaners vorbei, und stellte sich in würdevoller Haltung vor den Schuldigen. In diesem Augenblick trat die vorerwähnte alte Squaw, eine Fackel in der Hand, in den Kreis, auf die eine Seite geneigt einen Tanz beginnend und die unverständlichen Worte einer Art von Beschwörung murmelnd. Obgleich sie sich unberufen eingedrängt hatte, so ließ man sie dennoch gewähren.
    Als sie sich Uncas genähert hatte, hielt sie ihm den lodernden Feuerbrand dicht entgegen, dessen roter Schein ein so volles Licht auf ihn warf, dass man die geringste Bewegung in seinen Gesichtszügen unterscheiden konnte. Der Mohikaner beharrte in seiner festen, stolzen Haltung; und sein Auge, verschmähend, ihrem forschenden Blicke zu begegnen, schaute fest in die Ferne, als ob es die Hindernisse, die seine Blicke hemmten, durchdrängt und in die Zukunft schaute. Zufrieden mit ihrer Untersuchung, verließ sie ihn mit einem leichten Ausdruck des Vergnügens, um ihren schuldigen Landsmann derselben Probe zu unterwerfen.
    Der junge Hurone war mit den Kriegsfarben seines Stammes bemalt und sein Anzug verhüllte wenig von seinen schön gebildeten Formen. Das Licht ließ alle Glieder und Gelenke genau unterscheiden; aber schaudernd wandte sich Duncan ab, als er sah, wie sie in unbesiegbarer Todesangst rangen. Die Alte stimmte bei diesem traurigen und schimpflichen Anblick ein tiefes, klagendes Geheul an; der Häuptling aber streckte seinen Arm aus und drängte sie sanft auf die Seite.
    »Schwankendes Rohr!« sprach er, den jungen Schuldigen bei seinem Namen und in seiner Muttersprache anredend, »obgleich der große Geist dich gefällig für das Auge geschaffen hat, so wäre es doch besser, du wärest nicht geboren worden. Deine Zunge ist laut in dem Dorf, aber stumm in der Schlacht. Keiner meiner Jünglinge schlägt den Tomahawk tiefer in den Kriegspfosten – keiner so schwach auf die Yengeese. Die Feinde kennen die Gestalt deines Rückens, haben aber nie die Farbe deiner Augen gesehen. Dreimal haben sie dir zugerufen, zu kommen, und ebenso oft hast du vergessen zu antworten. Dein Name wird in deinem Stamme nie wieder genannt werden. – Er ist bereits vergessen.«
    Während der Häuptling langsam diese Worte sprach, und nachdrucksvoll zwischen jedem Satze innehielt, erhob der Schuldige aus Achtung vor dem Rang und den Jahren des andern sein Antlitz. Scham, Schrecken und Stolz kämpften in seinen Zügen. Sein Auge, vor innerem Schrecken krampfhaft zusammengezogen, irrte auf den Personen umher, von deren Atem sein Ruf abhing, und Stolz gewann für einen Augenblick die Oberhand. Er stand auf, entblößte seine Brust und blickte fest auf das scharfe, blinkende Messer, das sein unerbittlicher Richter bereits emporhielt. Als die Waffe ihm langsam in das Herz drang, lächelte er sogar, als freue er sich, den Tod nicht so furchtbar zu finden, als er erwartet hatte, und fiel in schwerem Falle auf sein Gesicht zu den Füßen des starren und unbeugsamen Uncas nieder.
    Die Squaw erhob ein lautes, klägliches Geheul, stieß die Fackel auf die Erde und begrub alles umher in tiefe Finsternis. Die ganze schaudernde Gruppe der Zuschauer eilte gleich aufgeschreckten Geistern aus dem Hause; und Duncan glaubte sich mit dem noch zuckenden Schlachtopfer eines indianischen Richterspruchs allein in demselben zurückgelassen.

24
Der Weise sprach’s, alsbald der Fürsten Rat
Sich auflöst’, ihrem Haupte zu gehorchen.
HOMER
    Ein einziger Blick überzeugte den Jüngling, dass er sich getäuscht hatte. Eine Hand legte sich mit kräftigem Druck auf seinen Arm, und Uncas leise Stimme

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