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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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hinreißenden Vortrage eines huronischen Redners gesprochen ward, war nicht zu missdeuten. Magua hatte die natürlichen Gefühle und den religiösen Aberglauben seiner Zuhörer auf eine so schlaue Weise zu vermengen gewusst, dass ihre Gemüter, schon durch Gewohnheit darauf vorbereitet, den Manen ihrer Landsleute blutige Opfer zu bringen, jede Spur von Menschlichkeit in dem Wunsche nach Rache verloren. Ein Krieger insbesondere, ein Mann von wilder, unbändiger Miene, hatte sich durch die Aufmerksamkeit ausgezeichnet, welche er den Worten des Sprechers geschenkt hatte. Sein Ausdruck wechselte unter jeder vorübergehenden Bewegung, bis er sich in einen Blick tödlicher Bosheit festsetzte. Er sprang auf, als Magua kaum geendet hatte, und schwang, ein dämonisches Geheul erhebend, eine kleine hellgeschliffene Streitaxt, die im Fackellicht erglänzte, über sein Haupt. Die Bewegung und das Geschrei erfolgte zu plötzlich, als dass Worte die blutige Absicht hätten abwenden können. Es war, als ob ein blitzender Strahl seiner Hand entschösse, in demselben Augenblick mächtig durchkreuzt von einem dunklen Streifen. Die schnelle, entschlossene Bewegung des Häuptlings kam nicht ganz zu spät. Die kühne Waffe durchschnitt die Kriegsfeder auf dem Skalpierschopf des jungen Mohikaners und fuhr durch die schwache Wandung der Hütte, als wäre sie von einer furchtbaren Maschine geschleudert worden.
    Duncan war Zeuge der drohenden Handlung gewesen und sprang schnell auf seine Füße, während sein Herzblut stockte und die edelmütigsten Entschlüsse zugunsten seines Freundes in ihm erwachten. Ein Blick sagte ihm, dass der Streich gefehlt hatte, und sein Schrecken ging in Bewunderung über. Uncas stand ruhig da, seinem Feinde mit einer Miene, die über jede Aufregung erhaben war, fest ins Auge blickend. Marmor konnte nicht kälter, unbeweglicher, starrer sein als der Ausdruck, womit er diesem plötzlichen, rachsüchtigen Angriff begegnete. Dann aber lächelte er, den Mangel an Geschick, der ihn gerettet hatte, gleichsam bemitleidend, und murmelte einige Worte der Verachtung in seiner Muttersprache.
    »Nein«, sprach Magua, nachdem er sich beruhigt hatte, dass der Gefangene unbeschädigt war, »die Sonne muss seine Schande beleuchten. Die Squaws sollen sehen, wie sein Fleisch zittern wird, oder unsere Rache ist nur ein Knabenspiel. Geht, bringt ihn an einen Ort, wo Schweigen herrscht. Wir wollen sehen, ob ein Delaware in der Nacht schlafen kann und am andern Morgen sterben.«
    Die jungen Krieger, welche den Gefangenen zu bewachen hatten, wanden alsbald ihre Bastriemen um seine Arme und führten ihn unter tiefer, unheimlicher Stille aus der Hütte. Nur unter der Türöffnung zögerte Uncas fester Tritt: Er wandte sich und warf einen eilenden, stolzen Blick auf seine Feinde umher. In diesem las Duncan gerne den Ausdruck eines Mutes, der immer noch nicht alle Hoffnung aufgab.
    Magua begnügte sich mit dem gewonnenen Erfolge, oder er war zuviel mit geheimen Plänen beschäftigt, um seine Nachforschungen fortzusetzen. Seinen Mantel schüttelnd und über der Brust faltend, verließ auch er die Hütte, ohne einen Gegenstand zu verfolgen, der für seinen Nebenmann so leicht verderblich werden konnte. Trotz des in ihm wachsenden Rachegefühls, trotz seiner natürlichen Festigkeit und der Besorgnis für Uncas fühlte sich Heyward doch durch die Entfernung eines so gefährlichen und listigen Feindes merklich erleichtert. Die Aufregung, welche Maguas Rede hervorgerufen hatte, legte sich allmählich. Die Krieger nahmen ihre Sitze wieder ein, und Wolken von Rauch füllten abermals die Hütte. Fast eine halbe Stunde ward keine Silbe gesprochen, kaum ein Blick zur Seite geworfen. Ein ernstes, nachdenkliches Schweigen war die natürliche Folge dieser Szene der Gewalttat und der Aufregung unter Menschen, die neben solcher Leidenschaftlichkeit so viel Selbstbeherrschung zeigen.
    Als der Häuptling, welcher sich Duncans Hilfe erbeten, seine Pfeife zu Ende geraucht hatte, machte er eine letzte und ungehinderte Bewegung zum Aufbruch. Ein Wink mit dem Finger war für den vermeintlichen Arzt das Zeichen, zu folgen; und während Duncan durch die Rauchwolken schritt, war er in mehr als einer Hinsicht froh, bald die reine Luft eines kühlen und erfrischenden Sommerabends wieder atmen zu dürfen.
    Statt den Weg nach den Hütten zu nehmen, wo Heyward bereits seine erfolglose Nachsuchung angestellt hatte, wandte sich sein Begleiter seitwärts und schritt gerade

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