Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
der, wie Heyward sich wohl erinnerte, von seinen Feinden einem berühmten Jäger und Kundschafter des englischen Lagers gegeben wurde, welcher, wie er jetzt zum ersten Mal erfuhr, sein letzter Begleiter gewesen war. ›La Longue Carabine! La Longue Carabine!‹ ging es von Mund zu Mund, bis die ganze Bande sich, wie es schien, um die Siegestrophäe versammelte hatte, welche den Tod ihres furchtbaren Eigentümers zu verkünden schien. Nach einer stürmischen Beratung, welche nur zuweilen durch Ausbrüche ihrer wilden Freude unterbrochen ward, trennten sie sich wieder und erfüllten die Luft mit dem Namen eines Feindes, dessen Leiche sie, wie Heyward aus ihren Ausdrücken schloss, in einer Spalte des Felsens zu finden hofften.
»Jetzt«, flüsterte er den zitternden Schwestern zu, »jetzt ist der Augenblick der Entscheidung! Wenn unser Versteck diesmal ihrer Nachforschung entgeht, so sind wir geborgen! Auf jeden Fall können wir gewiss sein, dass unsere Freunde entkommen sind, und dass wir in wenigen Stunden auf Hilfe von Webb hoffen dürfen.«
Einige Minuten des bangsten Stillschweigens folgten, während welcher, wie Heyward wohl wusste, die Wilden ihre Nachforschungen mit mehr Eifer und Umsicht als bisher fortsetzten. Mehr denn einmal konnte er ihre Fußtritte unterscheiden, wie sie an dem Sassafras hingingen, sodass die Blätter rauschten und die dürren Äste brachen. Endlich wich der Haufen ein wenig, die Ecke des Vorhangs sank und ein schwacher Lichtstrahl drang in das Innere der Höhle. Cora drückte Alice in der Angst des Todes an das Herz und Heyward sprang auf. Ein Schrei ward in diesem Augenblicke gehört, als ob er aus der Mitte des Felsens käme, und ließ vermuten, dass sie endlich in die benachbarte Höhle eingedrungen waren. In einer Minute hatte sich, wie die Zahl und das laute Geschrei der Stimmen verriet, der ganze Haufen in und um diesen verborgenen Ort zusammengedrängt.
Da die inneren Eingänge der beiden Höhlen so dicht nebeneinander waren, schritt Duncan, der ein weiteres Verborgenbleiben nicht länger für möglich hielt, vor David und die Schwestern hin, um sich zwischen diese und den ersten Anlauf der schrecklichen Rotte zu stellen. Durch seine Lage zur Verzweiflung gebracht, trat er ganz nahe an die schwache Barriere, welche ihn nur einige Fuß von seinen fühllosen Verfolgern trennte, hielt sein Auge an die zufällige Öffnung und schaute mit einer Art verzweifelter Gleichgültigkeit hinaus, um ihre Bewegungen zu beobachten.
Im Bereich seines Armes war die braune Schulter eines riesenhaften Indianers, dessen tiefe und gebieterische Stimme Befehle zu erteilen schien, denen die anderen gehorchten. Vor ihm konnte Duncan in das Gewölbe gegenüber blicken, das mit Wilden angefüllt war, welche das ärmliche Gerät des Kundschafters durcheinander warfen und durchstöberten. Davids Wunde hatte die Blätter des Sassafras mit einer Farbe gefärbt, die, wie die Wilden wohl wussten, noch nicht an der Zeit war. Über dieses Zeichen ihres Erfolges stimmten sie ein Geheul an wie eine Koppel Hunde, welche die Fährte wiedergefunden haben. Nach diesem Siegesgeschrei rissen sie das duftende Bett in der Höhle auf und trugen die Zweige in die Felsenspalte, indem sie sie umherstreuten, als ob sie vermuteten, dass sie die Leiche des Mannes verbärgen, den sie so lange gehasst und gefürchtet hatten. Ein wild und grimmig aussehender Krieger näherte sich jetzt dem Häuptling mit einer Ladung Gestrüpp, und gab, mit Frohlocken auf dunkelrote Flecken, womit sie besprengt waren, deutend, seine Freude durch indianische Ausrufungen zu erkennen, deren Inhalt Heyward bloß aus der häufigsten Wiederholung des Namens La Longue Carabine zu mutmaßen vermochte. Als seine Freudenrufe aufgehört hatten, warf er das Gestrüpp auf den kleinen Haufen, welchen Duncan vor dem Eingang in die zweite Höhle gebildet hatte, und verschloss so wieder die Aussicht. Sein Beispiel ward von den andern nachgeahmt, welche, die Zweige aus der Höhle des Kundschafters herausschaffend, sie auf den einen Haufen warfen und so unwissend zur Sicherheit derer, die sie suchten, selbst beitrugen. Gerade das Unauffällige der Vorkehrung war ihr Hauptverdienst: Denn niemand dachte daran, einen Haufen Gestrüpp wegzuräumen, von dem jeder glaubte, dass er im Augenblick der Eile und der Verwirrung zufälligerweise unter den Händen der eigenen Partei entstanden sei.
Da die Decken unter dem äußeren Drucke wichen und die Zweige sich, durch ihre
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