Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
Vom Netzwerk:
zu lange wachten.
WILLIAM SHAKESPEARE
    Sobald sich Duncan von dem Schrecken über dies plötzliche Unglück erholt hatte, stellte er über das Äußere und das Benehmen der Sieger seine Beobachtungen an. Gegen ihre sonstige Sitte hatten sich die Eingeborenen im Übermute des Sieges weder an den zitternden Schwestern noch an ihm selbst vergriffen. Zwar hatten verschiedene Individuen des Stammes die reichen Verzierungen seiner Uniform zu wiederholten Malen betastet, und ihre gierigen Augen drückten den Wunsch nach dem Besitze dieser Kleinigkeiten aus, aber ehe sie ihrer gewohnten Heftigkeit den Lauf gelassen, hemmte die gebieterische Stimme des schon erwähnten hohen Kriegers die aufgehobenen Hände und überzeugte Heyward, dass man sie zu irgendeinem besonderen Zwecke aufbewahre. – Während jedoch die Jüngeren und Prunksüchtigen aus der Bande diese Schwäche zu Tage legten, setzten die erfahrenen Krieger ihre Nachforschungen in den Höhlen mit einem Eifer fort, welcher zeigte, dass sie mit dem bereits Gefundenen noch nicht zufrieden waren. Nicht imstande, neue Opfer aufzufinden, nahten sich die Rachsüchtigen ihren männlichen Gefangenen, indem sie den Namen La Longue Carabine mit einem Ungestüm aussprachen, das nicht missverstanden werden konnte. Duncan stellte sich, als ob er ihre wiederholten und ungestümen Fragen nicht verstünde, während seinem Begleiter eine völlige Unkenntnis der französischen Sprache den Versuch einer solchen Täuschung ersparte. Ermüdet durch ihre Zudringlichkeiten und befürchtend, durch hartnäckiges Stillschweigen seine Sieger aufzureizen, sah sich Duncan nach Magua um, welcher seine Antworten auf die immer ernstlicher und drohender werdenden Fragen allein verdolmetschen konnte.
    Das Benehmen dieses Wilden war von demjenigen seiner Genossen sehr verschieden. Während die anderen entweder ihre kindische Leidenschaft für den Putz zu befriedigen suchten und die ärmlichen Gerätschaften des Kundschafters plünderten, oder blutdürstige Rache in ihren Blicken, nach dem abwesenden Eigentümer forschten, stand Le Renard in einiger Entfernung von den Gefangenen so ruhig und zufrieden da, dass man deutlich erkannte, er habe den Hauptzweck seines Verrats bereits erreicht. Als Heyward den Augen seines früheren Führers zuerst begegnete, wandte er sich ab, voll Abscheu über den boshaften, wenngleich ruhigen Blick, der ihn traf. Er bezähmte seinen Widerwillen und redete mit abgewandtem Gesicht seinen siegreichen Feind in folgenden Worten an:
    »Le Renard Subtil ist ein zu großer Krieger«, sprach der widerstrebende Heyward, »als dass er einem unbewaffnetem Manne nicht erklären sollte, was seine Sieger wissen wollen.«
    »Sie fragen nach dem Jäger, der die Pfade durch die Wälder kennt«, antwortete Magua in gebrochenem Englisch, indem er zu gleicher Zeit mit wildem Lächeln die Hand auf das Bündel Blätter legte, womit eine Wunde an seiner Schulter umbunden war. »La Longue Carabine! Seine Büchse ist gut und sein Auge nie geschlossen; aber gleich dem kurzen Gewehr des weißen Häuptlings vermag sie nichts gegen das Leben Le Subtils.«
    »Le Renard ist zu tapfer, um der im Kriege erhaltenen Wunden, oder der Hände, die sie schlugen, zu gedenken.«
    »War es Krieg, als der ermüdete Indianer am Zuckerahorn ruhte, um sein Korn zu essen? Wer füllte die Gebüsche mit den kriechenden Feinden? Wer zog sein Messer? Wessen Zunge war Frieden, indes sein Herz die Farbe des Blutes hatte? Sagte Magua, dass das Beil nicht mehr in der Erde sei und dass seine Hand es ausgegraben habe?«
    Duncan schwieg, weil er seinem Ankläger nicht damit antworten wollte, dass er ihn an seinen Verrat erinnerte, und verschmähte es, eine Entschuldigung vorzubringen, um jenes Unmut zu besänftigen. Magua schien auch zufrieden, den Streit sowie jede andere Unterhaltung beruhen zu lassen: Denn er lehnte sich wieder an den Baum, von dem ihn nur augenblickliche Aufregung entfernt hatte. Aber der Ruf La Longue Carabine! erneuerte sich, sobald die ungeduldigen Wilden bemerkten, dass die kurze Unterhaltung abgebrochen war.
    »Ihr hört«, sprach Magua mit verstockter Gleichgültigkeit, »die roten Huronen rufen nach dem Leben der ›langen Büchse‹, oder sie wollen das Blut derer, die ihn verborgen halten!«
    »Er ist fort – ist entronnen; er ist zu weit fort, als dass sie ihn erreichen könnten.«
    Renard lächelte mit stolzer Verachtung, indem er antwortete: »Wenn der weiße Mann stirbt, so denkt er, er ist im

Weitere Kostenlose Bücher