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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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Gefahr hierbei?« fragte Cora, ihr schwarzes Auge auf Major Heyward heftend.
    »Armer Schelm! Seine Stimme ist zu schwach, um unter dem Rauschen der Wasserfälle gehört zu werden«, war die Antwort. »Außerdem schützt ihn auch die Höhle. Lassen Sie ihm sein Lieblingsgeschäft, da er’s ohne Gefahr tun kann.«
    »Insel Wight!«, wiederholte David, indem er mit jener Würde um sich blickte, womit er die flüsternden Echos in seiner Schule zum Schweigen zu bringen gewohnt war; »es ist eine schöne Melodie und ein feierlicher Text. Singen wir’s mit gebührender Andacht!«
    Nachdem er eine Weile geschwiegen, um die Wirksamkeit seiner Vorschrift zu erhöhen, ließ sich die Stimme des Sängers erst in leisen, murmelnden Tönen vernehmen, dem Ohre allmählich kund werdend, bis sie endlich das enge Gewölbe mit Klängen füllte, die durch das von seiner Angegriffenheit rührende Zittern noch dreimal gellender wurden. Die Melodie, welche keine Schwäche zerstören konnte, übte allmählich ihren Einfluss auf die Zuhörer aus. Sie ließ selbst die erbärmliche Travestie der Gesänge Davids, den der Sänger aus einem Bande ähnlicher Ergießungen ausgewählt hatte, ja den ganzen Inhalt über der Harmonie der Töne vergessen. Alice trocknete unwillkürlich ihre Tränen und heftete ihre schmelzenden Augen auf Gamuts blasse Züge mit einem Ausdrucke reinen Entzückens, den sie nicht zu verbergen suchte. Cora lächelte den frommen Anstrengungen des Namensbruders des jüdischen Fürsten Beifall zu, und Heyward wandte bald den festen, ernsten Blick von dem Eingang der Höhle ab und richtete ihn mit milderem Ausdruck auf Davids Gesicht und die irrenden Strahlen, die für Augenblicke aus Alicens feuchten Augen leuchteten. Der lebhafte Anteil der Zuhörer erhob das Gemüt des Sängers noch mehr, seine Stimme gewann wieder ihren vollen Umfang und Reichtum, ohne die rührende Sanftheit zu verlieren, die ihr einen geheimen Zauber verlieh. Seine wiederkehrende Kraft aufs höchste steigernd, füllte er jetzt die Bogen der Höhle mit langen und vollen Tönen, als sich draußen plötzlich ein Geheul erhob, das die frommen Akkorde verstummen ließ und seine Stimme erstickte, als wäre ihm buchstäblich sein Herz in die Kehle gesprungen.
    »Wir sind verloren!«, rief Alice, indem sie sich Cora in die Arme warf.
    »Noch nicht, noch nicht«, entgegnete der aufgeregte, aber unerschrockene Heyward; »das Geschrei kam von der Mitte der Insel und wurde durch den Anblick ihrer toten Gefährten hervorgerufen. Wir sind noch nicht entdeckt, es bleibt immer noch Hoffnung.«
    So schwach und beinahe hoffnungslos die Aussicht auf Rettung war, so blieben Duncans Worte doch nicht vergeblich: Sie weckten die Geisteskraft der Schwestern wieder insoweit, dass sie den Ausgang stillschweigend erwarteten. Das Geheul ertönte zum zweiten Mal, Stimmen erschollen von der oberen Spitze der Insel bis zu ihrem niederen Ende, und ließen sich bald auch auf dem nackten Felsen über den Höhlen vernehmen, wo nach einem wilden Triumphgeschrei fortwährend ein so entsetzliches Geheul die Luft erfüllte, wie es nur der Mensch, und er nur im Zustand der wildesten Barbarei ausstoßen kann.
    Die Töne erschollen bald in allen Richtungen um sie; einige riefen ihren Gefährten vom Rande des Wassers herauf, und andere antworteten von der Höhe herab. Schreie ließen sich in der gefährlichen Nähe der Felsspalte zwischen den beiden Höhlen vernehmen, in welche sich ein kreischendes Geheul aus dem Abgrunde der tiefen Felsenklüfte mischte.
    Kurz, so reißend schnell hatten sich die wilden Töne über den ganzen kahlen Felsen verbreitet, dass die geängsteten Zuhörer sich leicht einbilden konnten, sie ertönten auch unter ihnen, während sie in Wahrheit über und auf allen Seiten von ihnen waren.
    Mitten in diesem Tumult ertönte ein Triumphgeheul nur wenige Schritte von dem verborgenen Eingang in die Höhle. Heyward gab alle Hoffnung auf, indem er glaubte, dies sei das Signal, dass sie entdeckt worden seien. Diese Besorgnis verschwand jedoch wieder, als sich die Schreienden um die Stelle sammelten, wo der Weiße so widerstrebend seine Büchse zurückgelassen hatte. Unter dem Kauderwelsch der indianischen Dialekte, das man jetzt deutlich vernahm, ließen sich nicht bloß einzelne Wörter, sonder selbst ganze Sätze in dem Patois Kanadas unterscheiden. Viele Stimmen tönten mit einem Mal: ›La Longue Carabine!‹ und die Echos der Wälder gegenüber gaben einen Namen wieder,

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