Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
ich hoffe, friedliches Grab für einen Soldaten! Ihr habt also auf dieser Grenze viele Treffen mitgemacht?«
»Ich?«, sprach der Kundschafter, indem er sich mit einem Ausdrucke militärischen Stolzes zu seiner vollen Höhe erhob; »es gibt nicht viele Echos unter diesen Hügeln, die nicht den Knall meiner Büchse nachgerufen, und wenig Geviertmeilen zwischen dem Horican und dem Flusse, wo nicht mein Killdeer einem lebendigen Geschöpfe, sei’s nun einem Feind oder einem Tiere, den Garaus machte. Ob das Grab da drunten so ruhig ist, wie Ihr meinet, ist eine andere Frage. Es gibt Leute im Lager, die sagen und meinen, wenn ein Mann ruhig im Grab liegen soll, so dürfe man ihn nicht darein legen, wenn noch Leben in seinem Leibe sei; und so viel ist gewiss, dass die Ärzte nur wenig Zeit hatten, zu bestimmen, wer tot oder lebendig war. Bst! Seht Ihr nichts am Ufer des Teichs auf- und niedergehen?«
»Es ist nicht wahrscheinlich, dass sich jemand so heimatlos wie wir in diesem öden Wald befinde.«
»So einer wie der fragt vielleicht wenig nach Haus und Obdach, und der Nachttau tut dem nichts, der den Tag in dem Wasser zubringt«, entgegnete der Kundschafter, Heyward mit so krampfhafter Heftigkeit an der Schulter ergreifend, dass dieser mit Schmerzen inneward, wie sehr abergläubische Furcht in einem sonst so unerschrockenen Manne die Oberhand gewinnen konnte.
»Bei Gott! Es ist eine Menschengestalt und kommt auf uns zu! Die Waffen bereit, meine Freunde! Wir wissen nicht, mit wem wir’s zu tun haben.«
»Qui vive?« fragte eine strenge, rasche Stimme, die wie ein Ruf aus einer anderen Welt von jener einsamen und unheimlichen Stelle herüberklang.
»Was will er?«, flüsterte der Kundschafter; »er spricht weder Indianisch noch Englisch.«
»Qui vive?«, wiederholte dieselbe Stimme, und dem Rufe folgte ein Rasseln der Waffen und eine drohende Stellung des Trägers.
»France«, rief Heyward, aus dem Schatten der Bäume auf das Ufer des Teiches und in die Nähe der Schildwache hervortretend.
»Woher kommt Ihr? Wohin wollt Ihr so früh?«, fragte der Grenadier in der Sprache und mit dem Akzent eines Mannes aus Altfrankreich.
»Ich komme vom Rekognoszieren und will mich wieder niederlegen.«
»Seid Ihr ein Offizier des Königs?«
»Natürlich, Kamerad: Hältst du mich für einen Provinzialen? Ich bin Hauptmann bei den Jägern.« (Heyward wusste wohl, dass der andere von einem Linienregimente war.) »Ich habe die Töchter des Kommandanten der Festung bei mir. Sicher hast du davon gehört – ich nahm sie in der Nähe des anderen Forts gefangen und bringe sie zum General.«
»Meiner Treu! Meine Damen, das ist mir leid für Sie!«, rief der junge Soldat, seine Mütze mit Anstand berührend, »aber so geht’s im Krieg. Sie werden finden, welch’ braver Mann unser General ist und wie artig gegen Frauen.«
»Das ist das Auszeichnende eines echten Kriegsmannes«, versetzte Cora mit bewundernswürdiger Geistesgegenwart und ebenfalls französisch – »lebe wohl, Freund, ich wünschte dir wohl einen angenehmeren Beruf zu erfüllen!« Der Soldat salutierte sie höflich für ihre Artigkeit. Nach einem »Gute Nacht, Freund!« von Heyward zogen die Reisenden bedächtig weiter. Die Schildwache, welche wieder am Ufer des Teiches auf und nieder ging und sich nicht einfallen ließ, dass ein Feind so frech herbeikommen könnte, trillerte beim Anblick der Frauen, der vielleicht Erinnerungen aus seinem fernen und schönen Frankreich in ihm erweckte, die Strophen eines Liedes, das mit den Worten anfängt:
Vive le vin, vive l’amour
»Das war gut, dass Ihr den Schelm verstandet!« flüsterte der Kundschafter, als sie sich ein wenig entfernt hatten, und ließ seine Büchse in die Biegung seines Armes sinken; »ich sah gleich, dass es einer von den unruhigen Franzmännern war; und er tat wohl daran, dass er so freundlich sprach, sonst hätte er unter die Gebeine seiner Landsleute gebettet werden können.«
Hier wurde er von einem langen und heftigen Stöhnen unterbrochen, das aus dem kleinen Wasserbecken kam, als ob die Geister der Hingeschiedenen um ihr Wassergrab spukten.
»Gewiss hatte der Fleisch und Bein«, fuhr der Kundschafter fort; »kein Geist hätte sein Gewehr so fest handhaben können.«
» Hatte Fleisch und Bein; ob aber der arme Schelm noch dieser Welt angehört, muss ich wohl bezweifeln«, erwiderte Heyward, als er, um sich blickend, Chingachgook in ihrem kleinen Zuge vermisste. Ein zweites Stöhnen,
Weitere Kostenlose Bücher