Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Berge fielen. Der Weg wurde jetzt beschwerlich, da der Boden bald in ungeheure Felsmassen emporlief, bald von tiefen Schluchten durchschnitten war, sodass ihr Zug verhältnismäßig nur langsam sich fortbewegte. Raue, schwarze Gipfel umgaben sie von jeder Seite und entschädigten sie zum Teil für die größere Anstrengung durch das Gefühl von Sicherheit, welches sie einflößten. Endlich begannen sie einen steilen, rauen Abhang hinaufzuklimmen, auf einem Pfade, der sich zwischen Felsen und Bäumen hinwand, die einen umgehend, von den anderen unterstützt, in einer Weise, die kundgab, dass er von Männern herrührte, lange erfahren in den Vorteilen der Wildnis. So wie sie sich allmählich über den Talgrund erhoben, begann die dichte Finsternis, die gewöhnlich dem nahenden Tage vorangeht, sich zu zerstreuen, und die Gegenstände in der Ebene erschienen in den klaren und deutlichen Farben, die ihnen die Natur verliehen hatte. Als sie aus dem Gehölz verkrüppelter Bäume, die sich um die kahlen Wände des Gebirges zogen, auf einen flachen, moosbewachsenen Felsen, der den Gipfel bildete, hervortraten, begrüßte sie der Morgen, seinen rötlichen Glanz über den grünen Fichten eines Hügels zeigend, der auf der entgegengesetzten Seite des Horicantales lag. Der Kundschafter ließ jetzt die Schwestern absteigen, nahm den ermüdeten Tieren Zaum und Sattel ab und ließ sie in voller Freiheit das Gestrüpp und die kärglich vorhandenen Kräuter dieser hohen Region abweiden.
    »Geht«, sagte er, »sucht euer Futter, wo die Natur es euch anweist, und nehmt euch in Acht, dass ihr nicht selbst auf diesen Hügeln ein Futter der Wölfe werdet.«
    »Bedürfen wir ihrer nicht weiter?« fragte Heyward.
    »Seht und urteilt mit eigenen Augen«, antwortete der Kundschafter, indem er an den östlichen Rand des Berges trat und den anderen winkte, ihm dahin zu folgen; »wenn es so leicht wäre, in das Herz des Menschen zu blicken, als man von diesem Punkte aus erspähen kann, was mitten in Montcalms Lager vorgeht, so gäb’ es wenig Heuchler, und die Arglist der Mingos wäre im Vergleich mit der Ehrlichkeit eines Delawaren verlorenes Spiel.«
    Als die Reisenden den Rand des Absturzes erreichten, sahen sie mit einem Blicke, dass der Kundschafter nicht Unrecht gehabt hatte, und bewunderten seine Vorsicht in der Wahl dieses Platzes.
    Der Berg, auf dem sie standen, erhob sich vielleicht tausend Fuß über die Niederung, gleich einem ungeheuren Kegel, und trat ein wenig aus der Reihe hervor, die sich meilenweit an den westlichen Ufern des Sees hinzieht, bis sie, die Schwestergipfel jenseits der Wasser erreichend, in verworrenen, schroffen Felsmassen, schwach mit Nadelhölzern bedeckt, bis gegen Kanada ausläuft. Unmittelbar unter ihren Füßen beschrieb das Südufer des Horican einen großen Halbkreis von einem Berge zum anderen und bildete ein weites Gestade, das sich in eine unebene und hochgelegene Fläche erhob. Gegen Norden erstreckte sich der klare und, wie es von dieser schwindligen Höhe erschien, schmale Spiegel des heiligen Sees, in unzählige Buchten ausgezackt, durch fantastische Formen von Vorgebirgen verschönert und mit zahllosen Inseln besät. In der Entfernung von einigen Stunden verlor sich das Bett des Sees zwischen Bergen oder wurde durch eine Dunstmasse bedeckt, welche von einer leichten Morgenluft langsam über seine Fläche hergetrieben ward. Aber eine enge Öffnung zwischen den Kämmen des Gebirges deutete den Ausgang an, durch welche er seinen Weg weiter gegen Norden fand, um seinen klaren und weiten Spiegel noch einmal auszubreiten, ehe er dem fernen Champlain seinen Tribut bezahlte. Gegen Süden erstreckte sich das Defilee oder vielmehr die bewaldete Ebene, die so oft schon erwähnt worden ist. Einige Stunden lang, aber noch innerhalb Sehweite, senkten sich die Berge, scheinbar ungerne ihre Herrschaft aufgebend, und liefen in die niedrigen Sandflächen aus, über welche wir unsere Abenteurer auf ihrer zweifachen Reise begleitet haben. An beiden Bergreihen hin, welche die gegenüberliegenden Seiten von See und Tal begrenzten, stiegen Dunstwolken in Schneckenwindungen von den unwirtlichen Wäldern, wie Rauch aus verborgen liegenden Hütten empor, oder trieben langsam an den Abhängen hinab, um sich mit dem Nebel der Niederungen zu verbinden. Eine einzelne schneeweiße Wolke schwamm über dem Tal und bezeichnete die Stelle, unter welcher der stille Blutteich lag.
    Gerade am Ufer des Sees, etwas mehr gegen den