Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Gefahren der Belagerung, welche ein Feind, dessen Macht Munro nicht den gehörigen Widerstand leisten konnte, aufs lebhafteste betrieb. Es war, als ob Webb mit seinem Heer, das untätig an den Ufern des Hudson lag, die bedrängte Lage seiner Landsleute gänzlich vergessen hätte. Montcalm hatte die Wälder mit seinen Wilden angefüllt, deren Geschrei und Geheul durch das britische Lager scholl und die Soldaten entmutigte, welche bereits nur zu geneigt waren, die Gefahr zu vergrößern. Nicht so war es mit den in dem Fort Eingeschlossenen. Durch die Worte und das gute Beispiel ihrer Führer angefeuert, hatten sie Mut gefasst und ihren alten Ruf mit einem Eifer behauptet, welcher der Strenge ihres Anführers Ehre machte. Der französische General hatte seinerseits, als begnügte er sich, mit großer Anstrengung durch die Wildnis gezogen zu sein, um vor den Feind zu kommen, bei all seinem Geschick dennoch versäumt, die benachbarten Höhen zu besetzen, von denen aus er die Belagerten ungestraft vernichten konnte, ein Vorteil, den die neuere Kriegskunst keinen Augenblick zu benützen unterlassen hätte. Diese Geringschätzung der Anhöhen, oder vielmehr diese Scheu vor der Anstrengung des Erklimmens, kann als die Hauptschwäche der damaligen Kriegführung betrachtet werden. Sie schrieb sich von der einfachen Weise der Indianerkriege her, wo bei der Art der Kämpfe und den dichten Wäldern Festungen selten waren und das Geschütz beinahe alle Bedeutung verlor. Die Nachlässigkeit, welche solchergestalt überhand genommen hatte, reichte bis in die Zeit der Revolutionskämpfe herab und verlor den Amerikanern die wichtige Festung Ticonderoga, ein Verlust, der Bourgoynes Heer den Weg in das Herz des Landes öffnete. Erstaunt blicken wir auf diese Unwissenheit oder Betörung, wie man es nennen darf, zurück: Denn man weiß, dass das Übersehen der Vorteile einer solchen Anhöhe – wenn auch die Schwierigkeit, sich auf ihr festzusetzen, wie bei Mont Defiance, sehr übertrieben worden ist – einen Ingenieur, der in unserer Zeit die Anlegung der Werke an ihrem Fuße zu leiten, oder einen General, der sie zu verteidigen gehabt hätte, um ihren Ruf bringen würde.
Der Reisende, der Genesende, oder der Freund von Naturschönheiten, welcher jetzt in seinem Viergespann durch die Schauplätze, die wir zu beschreiben versucht, dahinrollt, um Belehrung, Gesundheit oder Vergnügen zu finden, oder gemächlich seinem Ziele entgegen auf jenen künstlichen Wasserstraßen getragen wird, die unter der Verwaltung eines Staatsmanns entstanden sind, welcher für das Gelingen des gewagten Unternehmens seinen politischen Ruf einsetzte, darf nicht glauben, dass seine Vorfahren mit gleicher Leichtigkeit über diese Berge gegangen sind und die Strömungen überwunden haben. Die gelungene Herbeischaffung einer einzigen schweren Kanone wurde oft einem Siege gleichgeschätzt, wenn anders glücklicherweise die Schwierigkeiten des Bodens sie nicht zu weit von ihrer notwendigen Begleiterin, der Munition, entfernten, ohne welche sie nichts als eine schwerfällige nutzlose eiserne Röhre ist.
Die Übel, welche aus einer solchen Lage entspringen mussten, machten sich dem entschlossenen Schottländer, der jetzt William Henry verteidigte, sehr fühlbar. Obgleich sein Gegner die Berge nicht benützte, hatte er doch seine Batterien mit Einsicht in der Ebene aufgepflanzt, und sie wurden mit Geschick und Nachdruck bedient. Diesem Angriff konnten die Belagerten nur die unvollkommenen und in Eile angeordneten Verteidigungsmittel einer Festung der Wildnis entgegenstellen.
Es war am fünften Tage der Belagerung und dem vierten seines eigenen Dienstes in dem Fort, dass Major Heyward nachmittags eine eben angekündigte Unterhandlung benützte, um sich auf die Brustwehr einer Wasserbastion zu begeben, wo er die frische Seeluft atmen und die Fortschritte der Belagerer beobachten konnte. Er war allein, wenn man die einsame Schildwache, die auf dem Erdwall auf und nieder ging, nicht rechnen will: Denn die Artilleristen hatten sich entfernt, um die zeitige Unterbrechung ihres gefahrvollen Dienstes zu benützen. Der Abend war äußerst still und das Lüftchen, welches von dem klaren See her wehte, sanft und erfrischend. Es schien, als ob auch die Natur den Augenblick, wo der Donner des Geschützes und das Pfeifen der Kugeln verstummte, gewählt hätte, in ihrer mildesten und entzückendsten Gestalt zu erscheinen. Die Sonne goss ihre scheidende Glorie über die Landschaft,
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