Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
war, gewahrte man alle Zeichen eines übereilten, gezwungenen Abmarsches. Finsteren Blickes warfen die Soldaten ihre ungeladenen Feuerrohre auf die Schulter, und als sie in ihre Reihen traten, sah man wohl, dass ihr Blut durch den so lange geleisteten Widerstand erhitzt war und sie bloß nach einer Gelegenheit verlangten, einen Schimpf zu rächen, der ihren Stolz immer noch verletzte, so sehr er auch unter den gewöhnlichen Formen militärischer Etikette verdeckt worden war. Weiber und Kinder liefen hin und her, teils die spärlichen Reste des Gepäcks tragend, teils in den Reihen der Soldaten die Gesichter derjenigen suchend, von denen sie Schutz und Schirm erwarteten.
Munro erschien festen Antlitzes, aber niedergeschlagen, in der Mitte seiner schweigenden Truppen. Offenbar hatte dieser unerwartete Schlag sein Herz hart getroffen, obgleich er sich anstrengte, sein Unglück als Mann zu tragen.
Duncan war tief bewegt von dem ruhigen und doch so eindringlichen Gram, der aus seiner Miene sprach. Er hatte seine eigene Pflicht erfüllt und eilte jetzt an die Seite des alten Mannes, um ihm seine Dienste anzubieten.
»Meine Töchter«, war der kurze, aber bedeutungsvolle Bescheid.
»Gott des Himmels! Sind noch keine Vorkehrungen für sie getroffen?«
»Heute bin ich bloß Soldat, Major Heyward!«, sprach der Veteran. »Alle, die Sie hier sehen, wollen ebenso meine Kinder sein!«
Duncan hatte genug gehört. Ohne einen Augenblick der jetzt so kostbaren Zeit zu verlieren, eilte er nach der Wohnung des Kommandanten, um die Schwestern aufzusuchen. Er fand sie auf der Schwelle des niederen Gebäudes zur Abreise bereit und umgeben von einem Haufen weinender und jammernder Weiber, welche sich gleichsam instinktiv hier versammelt hatten, wo sie am ehesten Schutz erwarten durften. Cora hatte nichts von ihrer Festigkeit verloren, obgleich ihre Wange blass und ihre Miene unruhig war. Alices Augen aber waren entzündet und verrieten, dass sie lange und bitterlich geweint hatte. Beide empfingen den jungen Mann mit unverhohlener Freude, die Erstere gegen ihre Gewohnheit das Gespräch beginnend.
»Das Fort ist verloren«, sprach sie mit melancholischem Lächeln, »aber unser guter Name ist, darauf traue ich, unverloren!«
»Er steht glänzender da als je! Aber teuerste Miss Munro, es ist Zeit, weniger an andere zu denken und für sich selbst zu sorgen. Militärische Sitte – Stolz – der Stolz, den Sie selbst so hoch schätzen, verlangt, dass Ihr Vater und ich eine kleine Weile an der Spitze der Truppen ziehen. Aber wo einen geeigneten Beschützer für Sie gegen die Verwirrung und die Wechselfälle eines solchen Abmarsches finden?«
»Es ist keiner nötig«, versetzte Cora, »wer wird es wagen, die Töchter eines solchen Vaters zu einer Zeit wie dieser zu beleidigen oder zu beschimpfen?«
»Ich möchte Sie nicht für das Kommando des besten Regiments in königlichem Solde alleinlassen«, entgegnete der Jüngling, flüchtig um sich blickend. »Bedenken Sie, unsere Alice besitzt nicht Ihre Seelenstärke, und Gott weiß, welche Schrecken sie auszustehen haben könnte!«
»Sie mögen recht haben«, sagte Cora, wieder lächelnd, aber viel ernster als zuvor. »Hören Sie, der Zufall hat uns bereits einen Freund gesandt, da wir ihn am nötigsten haben.«
Duncan horchte und verstand sogleich, was sie meinte. Die langsamen, ernsten Töne des heiligen Gesangs, so wohl bekannt in den östlichen Provinzen, trafen sein Ohr und führten ihn in das Zimmer eines nahen Gebäudes, das bereits von seinen bisherigen Bewohnern verlassen war. Hier fand er David, der seine frommen Gefühle in der einzigen ihm eigenen Weise aussprach. Duncan wartete, bis er aus dem Aufhören seiner Handbewegung schließen durfte, dass der Gesang zu Ende sei, klopfte ihm dann auf die Schulter, um seine Aufmerksamkeit rege zu machen, und sprach ihm in wenigen Worten seine Wünsche aus.
»Recht gerne«, sprach der schlichte Jünger des Königs von Israel, als der junge Mann ausgeredet hatte, »ich habe viel Anmut und viel melodische Anlagen bei diesen Mädchen gefunden, und es will sich ziemen, dass wir, die wir so viele Gefahren geteilt haben, auch ferner in Frieden zusammenreisen. Ich will sie begleiten, wenn ich mein Morgenlied beendigt habe, wozu bloß noch die Lobpreisung fehlt. Wollen Sie mit anstehen, Freund? Das Silbenmaß ist bekannt und die Weise ›Southwell‹.«
Dann schlug David sein Büchlein auf, gab mit wohl überlegter Achtsamkeit den Ton an,
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