Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Vorübergehen den Soldaten scharf ins Gesicht fasste, indem er seinen Weg nach den britischen Bastionen verfolgte. Der Soldat fuhr auf, seine Waffen erklirrten stark, als er sie zum ehrerbietigsten militärischen Gruße vorwarf, und ging dann, seine Flinte wieder aufnehmend und zwischen den Zähnen murmelnd, auf und nieder.
»Gewiss muss man wachsam sein! Ich glaube, wir haben da einen Korporal, der nie ein Auge schließt!«
Der Offizier tat nicht, als hätte er die Worte, welche der überraschten Schildwache entschlüpften, gehört, und ging weiter, bis er das niedrige Ufer des Sees in der etwas gefährlichen Nähe der westlichen Wasserbastion des Forts erreichte. Das Licht des überwölkten Mondes reichte eben hin, die Umrisse der Gegenstände schwach unterscheiden zu lassen. Er gebrauchte daher die Vorsicht, sich an den Stamm eines Baumes zu stellen, wo er sich eine Weile anlehnte, und die dunklen stillen Erddämme der englischen Festungswerke mit gespannter Aufmerksamkeit zu betrachten schien. Sein Blick nach den Bollwerken war nicht der eines neugierigen oder müßigen Gaffers, sondern wanderte von einem Punkt zum anderen und bewies militärische Kenntnis, verriet aber auch, dass seine Untersuchung nicht ganz frei von Misstrauen war. Endlich schien er befriedigt, er warf die Augen ungeduldig auf das östliche Gebirge, als könnte er den Anbruch des Morgens nicht erwarten, und war im Begriff, wieder zurückzukehren, als ein leises Geräusch auf der nächsten Ecke der Bastion sein Ohr erreichte und ihn zu bleiben bewog.
Eben näherte sich eine Gestalt dem Rande der Brustwehr, wo sie stehen blieb und die entfernten Zelte des französischen Lagers zu betrachten schien. Ihr Haupt wandte sich nach Osten, als sehe sie dem nahenden Tage mit Bangigkeit entgegen, und schien dann, an den Erdwall gelehnt, die klare Fläche der Wasser zu überblicken, die wie ein zweites Firmament das Bild von tausend Sternen widerstrahlte. Das melancholische Aussehen, die Stunde und der hohe Wuchs des Mannes, welcher sich sinnend an die englische Brustwehr gelehnt hatte, ließ den aufmerksamen Beobachter über die Person nicht im Zweifel. Zartgefühl nicht minder als Klugheit geboten ihm nun, sich zurückzuziehen, und vorsichtig hatte er sich um den Baumstamm gedreht, um nicht bemerkt zu werden, da zog ein anderer Laut seine Aufmerksamkeit auf sich und hieß ihn abermal stille stehen. Leise, kaum hörbar bewegte sich das Wasser, dann war es, als ob Kieselsteine sich aneinander rieben. Im Nu erhob sich eine dunkle Gestalt, wie aus dem See, und schlich geräuschlos an das Land, einige Schritte von der Stelle, wo er stand. Dann erhob sich zwischen seinen Augen und dem Wasserspiegel eine Büchse, aber ehe sie noch losgeschossen werden konnte, war schon seine Hand auf dem Schloss.
»Hugh!«, rief der Wilde, dessen verräterische Absicht so seltsam und unerwartet unterbrochen worden war.
Ohne ein Wort zu sprechen, legte der französische Offizier seine Hand auf die Schulter des Indianers und führte ihn in tiefem Stillschweigen von der Stelle weg, wo ihr folgendes Zwiegespräch hätte gefährlich werden können, und wo wenigstens einer von ihnen ein Schlachtopfer zu suchen schien. Den Mantel zurückschlagend, um seine Uniform und das Ludwigskreuz an seiner Brust zu zeigen, fragte jetzt Montcalm in strengem Tone:
»Was soll das? Weiß mein Sohn nicht, dass die Kriegsaxt begraben ist zwischen dem Engländer und seinem kanadischen Vater?«
»Was sollen die Huronen beginnen?«, entgegnete der Wilde, ebenfalls französisch, aber nur unvollkommen sprechend. »Kein Krieger hat einen Skalp und die Blassgesichter werden Freunde.«
»Ha! Le Renard Subtil! Mich dünkt, ein übertriebener Eifer für einen Freund, der jüngst noch ein Feind war! Wieviele Sonnen gingen unter, seitdem Le Renard den Kriegspfahl der Engländer berührt hat?«
»Wo ist jene Sonne?«, fragte der trotzige Wilde. »Hinter den Bergen, und sie ist schwarz und kalt. Aber wenn sie wiederkommt, wird sie glänzen und warm sein. Le Subtil ist die Sonne seines Stammes. Wolken und viele Berge waren zwischen ihm und seiner Nation; aber jetzt scheint er hell, und es ist klarer Himmel!«
»Dass Le Renard Macht über die Männer seines Volkes hat, weiß ich wohl«, sprach Montcalm, »denn gestern jagte er noch nach ihren Skalps, und heute hören sie ihn bei dem Versammlungsfeuer.«
»Magua ist ein großer Häuptling.«
»Er zeig’ es dadurch, dass er sein Volk lehrt, wie es sich
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