Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
Herr Afdza hat mir viel Freiheit dabei gelassen, wie ich meinen Auftrag erfülle.«
»Auch die Freiheit, ihn gar nicht zu erfüllen, sondern zu deinen Leuten zu fliehen? Wer hätte dich aufhalten sollen?«
»Meine Ehre«, entgegnete Chlodwig schlicht.
Arima schämte sich. »Verzeih mir.«
»Es gibt nichts zu verzeihen, Herrin. Tatsächlich hat der alte Aercenbryht hier drin die ganze Zeit das Gleiche gefragt. Ich werde froh sein, wenn der verdammte Sachse endgültig das Zeitliche segnet, damit Chlodwig in Ruhe zu seinem Herrn zurückkehren kann.« Chlodwig grinste sein Lausbubengrinsen.
»Dann soll ich also Ealhwine anlügen, damit dieser dann Karl anlügt?«, fragte Arima. Die Frage war ebenso hilflos wie überflüssig.
Chlodwig beantwortete sie nicht. Er sah Arima nur ruhig an, und langsam wurde ihr bewusst, dass nun das Schicksal eines Feldzugs, das Schicksal eines Königs und das Schicksal der beiden Männer, die sie liebte, in ihrer Hand lagen.
Sie überließ Chlodwig den Mägden, die ein Bad für ihn zubereitet hatten, und zog sich in ihre Kammer zurück, um über ihr Vorgehen nachzudenken und sich das, was der junge Sachse ihr erzählt hatte, noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Und je länger sie nachdachte, desto mehr beschlich sie der Verdacht, dass Chlodwig ihr nicht alles gesagt hatte, was er auf dem Herzen hatte. Es gab noch etwas, und er hatte offensichtlich nicht die geringste Ahnung, wie er es ansprechen sollte.
Als sie und Chlodwig am Abend des folgenden Tages das Kloster unterhalb des Passes aufsuchten, erinnerte Arima sich daran, wie die Klause ausgesehen hatte, als sie noch ein Kind gewesen war: nur ein Gebäude, halb aus Stein, halb aus Holz, beides anscheinend wahllos zusammengesucht und willkürlich übereinandergestapelt, bis sich so etwas wie vier Mauern und ein Dach ergeben hatten. Fensteröffnungen waren dem unbekannten Architekten suspekt gewesen. Die Mönche waren ein halbes Dutzend Männer in verschiedenen Stadien der Vergreisung gewesen; völlig auf der Höhe hatte keiner geschienen. Das Kloster war eine einsame Wegstation zwischen den bewaldeten Hügeln gewesen, ein Mahnmal menschlichen Behauptungswillens, der sich mit Zähnen und Klauen an dieses Stückchen Erdboden klammerte und mühselig davon nährte, dass die über den Pass ziehenden Handels- und Kriegskarawanen dort zuweilen Rast machten.
Einiges hatte sich geändert seitdem. Die Mönche waren jünger, ihre Zahl hatte sich verdoppelt, und statt der baufälligen Klausur stand nun ein massives Steingebäude mit einem Schindeldach und einem kleinen Turmreiter dort. Eine Glocke hing im Türmchen. Eine Stunde Fußmarsch den Pass hinunter war eine kleine Ortschaft entstanden, deren Einwohner hauptsächlich von den Karawanen und von Dienstleistungen für das Kloster lebten – Uilla Roscidaualis. Das Klingen eines Schmiedehammers klang bis hierher, aber auch der faulige Geruch einer Ledergerberei war wahrzunehmen, die das Rohmaterial für einen Schuhmacher lieferte.
Was dem Kloster aber vor allem anderen das Überleben gesichert hatte, war die Kenntnis der Mönche in der Krankenheilung. Ihr Vater hatte Arima erklärt, dass hier, an der Scheide zwischen der maurischen und der fränkischen Welt, auch das Wissen der beiden Kulturen zusammenprallte. In Sachen Heilkunde war das ein Vorteil, denn die präzisen chirurgischen Kenntnisse der Mauren vermischten sich mit der fränkischen Kräuterkunde. Selbst die tattrigen alten Mönche aus Arimas Kindheit waren zuverlässige Heiler diverser Krankheiten und Verletzungen gewesen, wenn ihre altersschwachen Augen die Krankheitssymptome erkennen konnten oder man sie ihnen laut genug in die Ohren brüllte.
Deshalb war es für Arima ganz natürlich gewesen, den halbtoten Abu Taur hierherschaffen zu lassen, nachdem Afdza ihn auf Roncevaux zurückgelassen hatte. Und deshalb trat der Maure, hager und blass geworden, aber ansonsten bei besserer Gesundheit, ihr lächelnd entgegen, als sie vom Pferd sprang. Sie nickte ihm kühl zu. Sie hatte ihm immer noch nicht vergeben, was auf seine Veranlassung in Roncevaux geschehen war, und er wusste es, was ihren Umgang miteinander schwierig machte. Sie hatte ihm das Leben gerettet, indem sie ihn in die Obhut der Mönche gegeben hatte, und ihr war klar, dass der früher so stolze Mann auf eine Gelegenheit hoffte, ihr eine wichtige Gefälligkeit zu erweisen. Das hätte das Gleichgewicht zwischen ihnen halbwegs wiederhergestellt.
»Herrin«, sagte er
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