Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
welche menschliche Tragödie sie hier festhielten; aber sie hatten sie festgehalten, in krakeliger Schrift, mit klumpiger Tinte, die da und dort über das Pergament gespritzt war, ein Pergament, das nur mangelhaft bearbeitet worden war, das dunkle Stellen und Löcher enthielt … Löcher wie das, das in der gesamten Geschichte um Milan und Roland und Bertha und Ganelon klaffte. Ein Loch, das diejenigen, die darüber Bescheid wussten, seit damals nicht erwähnten und das Arima immer irgendwie gespürt hatte. Ihr Herz sank und sank, während sie las, und als sie damit fertig war, lag ihre Welt in Trümmern. Sie merkte erst, dass sie schwankte, als Chlodwig sie festhielt.
»O mein Gott«, flüsterte sie mit tauben Lippen, kaum fähig, einen Gedanken zu fassen.
»Was steht da drin?«, rief Chlodwig.
»Das kann doch nicht sein! Ealhwine – ist es so, wie ich vermute?«
»Ich weiß es nicht. Frag dein Herz. Meines sagt Ja.«
Dies war das Geheimnis, das seit dreizehn Jahren die Leben dreier Menschen überschattete: Ganelons, Berthas und Rolands. Die Ereignisse waren tragischer, als Arima sie sich je hätte ausmalen können. Ihr wurde so kalt wie nie, als ihr klar wurde, dass sie mittlerweile auch sie betrafen – wegen ihrer Liebe zu Afdza Asdaq.
»Ich dachte immer, all das sei geschehen, als Karl schon König war! Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wie viel Zeit seither vergangen ist. Aber hier steht das Datum, ohne jeden Zweifel. … Jetzt verstehe ich auch, warum das alles immer so ein Geheimnis war. Wer weiß von diesem Verrat?«, fragte sie endlich, weil es einfacher schien, sich auf diesen Aspekt der Geschichte zu konzentrieren.
»Welchen meinst du? Dass Karl sich die Rechte eines Königs anmaßte, als sein Vater noch lebte? Oder dass Milans Auftrag in Wahrheit gar nicht darin bestand, mit Suleiman zu verhandeln, sondern den Emir von Qurtuba aufzusuchen und diesem die Freundschaft des Frankenkönigs anzudienen und dann gemeinsam die Statthalter zu vernichten? Ach, Dúnaelf, das ist kein Verrat, den Karl da an Suleiman begangen hat, dem Mann, der ihn um Hilfe bat. Das war einfach Politik. Das Einflussgebiet der Statthalter war und ist näher an Karls Reich als das Emirat und damit die größere Gefahr – und der Emir wäre auf lange Sicht ein interessanterer Verbündeter gewesen.«
»Milan empfand es als Verrat, sonst hätte er den Mönchen hier nicht die Vorkommnisse verraten und sie gebeten, alles niederzuschreiben. Er wollte, dass irgendwo verzeichnet stand, dass er gegen sein Ehrgefühl handeln musste, nur aus Treue zu seinem König, dem Bruder seiner Frau.«
»Ja, so habe ich die Randnotiz hier auch interpretiert.«
»Dann wurde Milans Gesandtschaft auch nicht von Kriegern des Emirs vernichtet, sondern von …«
»… Suleiman ibn al-Arabi. Ja, das liegt nahe. Für mich war da sowieso immer eine Lücke in der Geschichte – dass der Emir eine Schar Krieger, die groß genug war, um mit Milan d’Otun und seinen Leuten fertig zu werden, unbemerkt ins Hoheitsgebiet Suleimans senden konnte. Es muss Suleiman gewesen sein, der den Befehl gab, die Gesandtschaft auszulöschen. Wahrscheinlich durch seine Elitekrieger, wenn er sie nicht sogar selbst angeführt hat. Es war seine einzige Chance, das Bündnis zwischen Karl und dem Emir zu verhindern. Er musste nur noch seinen Kriegern, die dabei gefallen waren, die Hoheitszeichen des Emirats zustecken und ihre Leichen zurücklassen, um die Täuschung perfekt zu machen. Karl sollte glauben, sein Wunschverbündeter habe Milans Schar in die Falle gelockt und die Verhandlungen nur zum Schein aufgenommen, um zu testen, wie stark die Franken wären.«
»Was für ein schmutziges Spiel von allen Seiten«, sagte Arima aus vollem Herzen.
»Manchmal hassen es selbst die Könige, König zu sein«, entgegnete Ealhwine. »Aber das ist nur ein Teil der Geschichte …«
»Ich weiß.« Arima schüttelte fassungslos den Kopf. »Mein Gott, mein Gott.« Sie wusste nicht, wie oft sie das nun schon gesagt hatte. Sie fand keine anderen Worte.
»Herrin, was steht denn in dem Pergament?«, fragte Chlodwig.
Nachdem Arima ihm berichtet hatte, wurde auch er blass. »Ich habe Afdza in seinem Bad gesehen«, sagte er schließlich kaum hörbar. »Wo ihn die Sonne nicht erreicht, ist seine Haut so weiß wie meine.«
Arima packte den Sachsen wild an der Schulter. »Afdza darf Roland nicht töten, wenn es zum Kampf zwischen ihnen kommt. Und Roland darf ebenso wenig Afdza
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