Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
worden in den Kämpfen?«
»Nur ein paar Kratzer«, erwiderte Ganelon nach einer weiteren längeren Pause, die zeigte, wie überrascht er war, dass Bertha sich nach seinem Wohlbefinden erkundigte.
»Und … und Roland?«
»Ebensowenig.« Ganelons Stimme klang gepresst.
»Du bist hier, um dem Wali ein Friedenangebot zu machen, nicht wahr?«
»Ja, ich … Bertha, was um alles in der Welt hat dich hierhergebracht!?«
Bertha legte eine Hand auf Ganelons Arm. Suleiman konnte sehen, wie der Paladin zusammenzuckte.
»Wer sonst als du?«, fragte sie sanft. »Wer sonst unter den Paladinen besitzt zu seiner Stärke auch noch die Klugheit, mit dem Feind erfolgreich zu verhandeln?«
»Bischof Turpin«, erwiderte Ganelon schroff. Doch seine Körperhaltung strafte die Schroffheit Lügen; er war einen Schritt näher an Bertha herangetreten, die auf dem Bett saß und zu ihm nach oben blickte. Das Licht der Öllämpchen in Ganelons Quartier war weich und ließ Berthas Gesicht um zwanzig Jahre jünger aussehen. Es war kein Wunder, dass Ganelon diese Frau begehrte, dachte Suleiman. Er wünschte sich plötzlich, die Schwester König Karls hätte es für nötig gehalten, sich ihm hinzugeben, um ihn auf ihre Seite zu ziehen. Auf einmal beneidete er Ganelon de Ponthieu – nicht für die Rolle, die Bertha und er, Suleiman, ihm zugedacht hatten, sondern dafür, dass es einmal eine Zeit gegeben hatte, in der Bertha ihm gehört hatte.
»Aber du hast dich freiwillig gemeldet, habe ich recht?«
»Turpin hat sich angeboten, mich zu begleiten.«
»Ganelon … ich rede davon, dass du der Einzige warst, der sich freiwillig gemeldet hat, um die Niederlage auf die Schultern zu nehmen, die das Anbieten von Friedensverhandlungen in Wahrheit bedeutet.«
»Es war nötig«, sagte Ganelon heiser.
Bertha strich langsam über Ganelons Arm. »Ja«, sagte sie so leise, dass Suleiman sie kaum verstehen konnte. »Es war nötig.«
Ganelons Rücken hob und senkte sich, als er tief ein- und wieder ausatmete. »Wie lange bist du schon hier, Bertha? Suleiman hat dich hierhergebracht, stimmt’s? Aber er hat dich vermutlich nicht aus Piligrims Besitz entführt. Du bist demnach zu ihm nach Medina Barshaluna gekommen.«
»Ich habe um Gnade für Roland gebeten«, sagte Bertha und senkte den Blick. Ihre Finger glitten an Ganelons Arm nach unten, fanden seine Hand und umklammerten sie. »Nenn es Verrat, wenn du willst. Aber es ist keiner. Ich habe es für unseren Sohn getan, Ganelon. Ich habe es für Roland getan.«
Suleiman zuckte zurück und blinzelte fassunglos. Ganelon war Rolands Vater? Nicht Milan d’Otun? Als er langsam begriff, umspielte ein Lächeln seinen Mund. Seine Anerkennung für Berthas starken Willen stieg noch mehr. Die Frau hatte ihren Ehemann mit dessen Bruder betrogen, hatte ihm einen Sohn geboren, den die Franken für ihren mächtigsten Krieger hielten, und hatte es nicht nur vermocht, selbst zwanzig Jahre darüber zu schweigen, sondern auch Ganelon zu zwingen, es für sich zu behalten?
»Und ich habe es für dich getan … mein Gemahl«, sagte Bertha.
Ganelon gab ein Geräusch von sich, das wie ein Ächzen klang. »Es fällt mir schwer, das zu glauben«, entgegnete er gequält.
»Eines Tages«, flüsterte Bertha, »wenn all das hier vorbei ist und wenn einmal eine Periode des Friedens eintritt, werden wir Roland die Wahrheit sagen. Dann wird er erkennen, was du auf dich genommen hast, um ihn zu retten – was wir beide auf uns genommen haben. Dann wird der Bruch, der zwischen euch besteht, geheilt werden. Deswegen tue ich dies hier auch für dich. Und vielleicht …« Bertha blickte auf Ganelons Hand und strich sanft mit den Fingern darüber, »… vielleicht wird dann auch der Bruch geheilt, der dich und mich seit Jahren trennt?«
»O mein Gott«, sagte Ganelon mit brüchiger Stimme.
»Es gab auch andere Zeiten, Ganelon. Erinnerst du dich?«
»Keiner dieser Brüche hätte sein müssen, wenn wir von Anfang an die Wahrheit gesagt hätten!«, rief Ganelon, und in seiner Stimme lag eine Mischung aus Hoffnung und Qual, die jeden Mann in der Mitte zerreißen musste.
Bertha stand auf. Sie hielt Ganelons Hand weiter fest. »Haben wir aber nicht. Es war ein Fehler, wir wir jetzt wissen. Deshalb ist nun die Zeit gekommen, Versäumtes wiedergutzumachen.«
»Es wird keine Periode des Friedens geben, Bertha! Wenn wir den Sachsenaufstand niedergeschlagen haben, wird Karl hierher zurückkehren. Nächstes Jahr … übernächstes
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