Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
der Feldzug doch noch einen Erfolg aufweisen konnte.
Dann kam die maurische Gesandtschaft, um die Verträge zu unterzeichnen, und Turpin wusste, dass er sich zu früh gefreut hatte. Der Anführer der Delegation war nicht Suleiman, sondern Afdza Asdaq.
Die Paladine standen links und rechts neben dem König, als dieser Afdza willkommen hieß. Turpin hatte neben Roland Aufstellung genommen. Der junge Mann blickte steinern geradeaus und reagierte auch nicht, als Afdza, der den Paladinen zugenickt hatte, vor ihm eine kleine Verbeugung machte. Turpin war bereit, Roland zu packen, falls dieser in seinem Zorn auf den Mauren die Nerven verlor und die Unterzeichnung des Friedensvertrags entweihte.
»Ich handle im Auftrag meines Herrn, des Wali«, sagte Afdza klar und deutlich. »Hier ist sein Siegel.«
Turpin hörte das Wispern aus den Reihen der Scharführer, die weiter entfernt mit ihren jeweiligen Standartenträgern postiert waren. Für sie kam es einer Beleidigung ihres Königs gleich, dass nur der Feldherr des Statthalters erschienen war. Die Paladine waren zu diszipliniert, um sich sichtbar darüber aufzuregen. Turpin fragte sich, was Suleiman damit bezweckte, diese Schwierigkeit in den Abschluss des Friedensvertrags einzubauen. Wollte er Afdza herausheben, indem er ihn für diese kurze Mission quasi zu seinem Stellvertreter machte? Was die Mauren anging, hätte er Afdza dazu nur irgendeinen Titel zu verleihen brauchen. Und Afdzas Ansehen vor den Franken konnte dem Wali egal sein. Alles, was er erreichte, war stiller Unmut und im Fall Rolands kochender, kaum zu unterdrückender Zorn. Der junge Mann musste die Schmach seiner Niederlage gegen Afdza vor den Mauern Siyas erneut spüren; es war, als würde Suleiman mit der Entsendung Afdzas Salz in Rolands Wunde reiben. Kam es ihm etwa darauf an? Aber weshalb? Nur weil Roland als der Held des fränkischen Heers galt?
»Ich hätte deinen Herrn gerne persönlich kennengelernt«, sagte Karl, ohne sich anmerken zu lassen, was er dachte.
»Mein Herr Suleiman ibn al-Arabi bedauert sehr, dass dringende Angelegenheiten seine sofortige Rückkehr nach Medina Barshaluna erfordern. Zum Zeichen seiner Hochachtung sendet er dir, König der Franken, dieses Geschenk.«
Afdza winkte einem seiner Begleiter, und dieser trat mit einer durch Schnitzereien und Einlegearbeiten verzierten Truhe auf den Armen vor. Die Truhe hatte ein Schloss. Ein zweiter Maurenkrieger überreichte Afdza einen Schlüssel, den dieser an Karl weitergab.
»Was ist da drin?«, fragte Karl lächelnd.
»Es ist ein Geschenk meines Herrn, nicht von mir. Ich weiß es nicht.«
Karl öffnete die Truhe. Turpin schielte vergeblich seitwärts, um zu sehen, was darin war. Karl starrte reglos hinein. Turpin konnte erkennen, dass der König um seine Fassung rang.
»Mein Herr lässt dir sagen, dass dies weniger ein Geschenk als vielmehr eine Rückgabe ist. Krieger des Wali haben es vor vielen Jahren auf einem Schlachtfeld voller Toter gefunden. Mein Herr meint, es sollte nun in seine Heimat zurückkehren.«
Ein Keuchen ging durch die Reihen der Franken, als Karl ein großes, silberbeschlagenes Hifthorn herausnahm und hochhob. Das Horn war von einem Hieb gespalten worden, und ein Goldschmied hatte versucht, es zu reparieren. Der Spalt war zusammengeklammert, aber es würde nie wieder einen Ton von sich geben. Im Übrigen sah es genauso aus wie das Horn, das Roland an seinem Gürtel hängen hatte. Einen kurzen Moment lang schien sich die Welt um Turpin zu drehen, als er das Horn erkannte. Ganelon, der neben Karl auf der anderen Seite stand, traten die Augen hervor. Es war Milan d’Otuns Signalhorn.
Karl stand auf. »Gefunden … auf einem Schlachtfeld?«, fragte er mühsam.
»Mir wurde gesagt, es lag unter einem toten fränkischen Krieger«, erklärte Afdza gleichmütig.
Karl fing sich wieder. »Ich bin nicht der rechtmäßige Besitzer. Es gehört nun …«, er blickte zu den Paladinen an seiner rechten Seite, »… Roland.«
Roland starrte das Horn seines Vaters mit schmalen Augen an. Turpin schüttelte sich und spannte seine Muskeln an, um notfalls einzugreifen. Aber noch blieb Roland reglos.
Karl reichte das Horn an Afdza. »Darf ich dich bitten, es seinem rechtmäßigen Besitzer …«, begann er.
»Fass es nicht an, Maure!«, knurrte Roland.
Afdza reagierte nicht. Er hatte das Horn unwillkürlich entgegengenommen, und jetzt stand er da, hielt es mit beiden Händen, und sein Gesichtsausdruck war so erschreckend
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