Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
König nicht – im Gegenteil, du ermöglichst ihm, mit seinem kompletten Heer in die Heimat zurückzukehren statt mit einem versprengten Haufen von Flüchtlingen.«
»Ich kann das nicht tun!«, stöhnte Ganelon.
Bertha küsste Ganelon erneut, dann schlang sie die Arme um ihn. »Du hältst jetzt dein, mein und Rolands Geschick in der Hand. Ich habe dir gesagt, was ich dir sagen wollte. Und jetzt halt mich, mein Gemahl, denn ich habe schreckliche Angst. Wir sind nur Figuren in einem Spiel, das andere spielen, und alles, was wir tun können, ist, uns gegenseitig Wärme zu geben.«
»O Gott, Bertha … o mein Gott, warum musste es all die Jahre so sein? Diese Kälte? Diese Verachtung? Warum konnten wir nicht glücklich sein?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass wir eine Chance haben, jetzt glücklich zu werden. Entscheide, wie du entscheiden musst. Aber erfülle mir einen einzigen Wunsch.«
»Welchen?«
»Lass mich heute Nacht bei dir bleiben«, sagte Bertha.
Suleiman wandte sich ab, weil er das Mienenspiel, das über Ganelons Züge huschte, nicht mehr ertragen konnte. Er hatte genug spioniert. Ganelon würde das tun, was Bertha ihm vorgeschlagen hatte. Er konnte nicht anders. Aber er, Suleiman, brauchte seine Würde nicht noch weiter zu verlieren, indem er sich zum Zeugen von Ganelons totaler, kompletter Niederlage machte, einer Niederlage, die der Paladin erst spüren würde, wenn es viel zu spät war – weil er sie neben dem Glück der Liebe, die er jetzt zu sich zurückgekommen wähnte, nicht erkennen konnte.
Als Nächstes würde Suleiman nun mit Afdza Asdaq sprechen und ihn beauftragen, die Nachhut der Franken im Ibaneta-Pass abzufangen. Und weil er wusste, dass Afdza ein Mann von Ehre war, würde er gleich anschließend eine Botschaft an Adalric de Gasconha absenden und ihm mitteilen, dass er und seine Vasconen sich für den Fall bereithalten sollten, dass Afdza die Franken nicht bis auf den letzten Mann massakrierte, sondern den Überlebenden einen ehrenhaften Abzug ermöglichte. Adalric war kein Mann von Ehre, und er würde dafür sorgen, dass es keine Überlebenden gab. Karls Niederlage musste vollständig sein, damit die Bedrohung von jenseits der Berge endlich aufhörte.
Danach gab es nur noch eines zu tun: sicherstellen, dass der richtige Mann die Nachhut anführte. Mit dem Tod Ganelons wäre rein gar nichts gewonnen.
Er dachte darüber nach, dass er sich ebenso niederträchtig verhielt wie der junge Frankenprinz Karl vor dreizehn Jahren. In diesem Moment drangen Geräusche aus Ganelons Kammer, und Suleiman trat beiseite. Ihm war übel.
Der Verwalter drängte sich heran und spähte durch den Spalt. »Oho«, flüsterte er. »Da hat’s aber jemand eilig, das Weib flachzulegen …«
Suleiman griff dem Mann ins Haar und hämmerte seine Stirn heftig gegen die Wand. In diesem Augenblick war es ihm völlig egal, ob Ganelon und Bertha auf der anderen Seite es hörten oder nicht. Der Verwalter sank stöhnend in sich zusammen. Suleiman griff erneut zu und zog ihn an den Haaren wieder in die Höhe.
»Raus hier, du Abschaum«, zischte er. »Sollte je ein Wort hiervon über deine Lippen kommen, wird dein Tod tagelang dauern.«
Die Besprechung im Zelt des Königs, die Karl sofort nach der Rückkehr Turpins und Ganelons einberufen hatte, verlief knapp und einvernehmlich. Turpin erlaubte sich zu glauben, dass die ganze unselige Expedition ins Maurenreich doch noch zu einem guten Abschluss gebracht werden konnte. Ganelon wirkte angespannt, aber alles in allem aufgeräumter, als Turpin ihn seit Langem erlebt hatte, und er trug die Argumente für den Abschluss eines Friedensvertrags ruhig und überzeugend vor. Ebenso ruhig und überzeugend hatte er auch mit Suleiman verhandelt. Turpin hatte ausnahmsweise schweigend danebengesessen und keinen Grund gefunden, Ganelon unterstützen zu müssen. Suleiman hatte sich bis zuletzt gewehrt, den Franken den Abzug zu versilbern, doch Ganelon hatte ihn bezwungen, und der Statthalter hatte nachgegeben. Schon morgen würden die Wagen mit dem Schmuck, dem Gold und den Münzen im fränkischen Lager eintreffen. Die Reichtümer stammten aus dem Besitz der Bürger von Siya, deren Verluste Suleiman aus seiner eigenen Kasse ausgleichen würde – oder auch nicht, was Turpin letztlich einerlei war. Ganelon hatte den schmachvollen Gang zu einer Friedensverhandlung in einen Triumph verwandelt, weil durch Suleimans Bereitschaft, die Franken für ihren Rückzug zu bezahlen,
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