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Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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gelassen hatte. Er war sicher, dass sich der Hof seit Langem heimlich darüber das Maul zerriss. Doch Ganelon war Karls Schwager und ein Paladin, und noch das größte Lästermaul würde tunlichst dafür sorgen, dass kein Scherz über einen solchen Mann öffentlich wurde. Ganelon musste jedoch genauso wie Karl ahnen, dass in der Stille der Nacht gespottet wurde. Wie mochte er sich dabei fühlen? Anders als Männer wie Turpin oder Piligrim trug Ganelon das Herz nicht auf der Zunge. Karl konnte in den Mann, den er in der besten Absicht zu seinem Schwager gemacht hatte, nicht hineinsehen.
    »Ganelon ist ein Paladin«, sagte er heftig.
    »Der einzige, bei dem du es dir erlaubst, nicht einmal seine Meinung zu einer Sache abzuwarten, die seinen Stiefsohn betrifft.«
    »Ich habe Ganelon auf die wichtigste Mission geschickt, die ich zurzeit zu vergeben hatte …«
    »Das hast du damals auch zu Milan gesagt!«
    »Und es entsprach den Tatsachen!«
    Bertha de Laon schnaubte und starrte ihrem Bruder hasserfüllt ins Gesicht. »Und nun willst du mir auch noch das Einzige nehmen, was mir geblieben ist – meinen Sohn Roland.«
    »Aber nein, Bertha! Verstehst du denn nicht, welche Ehre …?«
    »Es ist die Ehre, die du auch einem Mann wie Piligrim de Vienne zugestanden hast. Und alles, was er geleistet hat, war zu überleben, während mein Mann Milan und alle anderen erschlagen wurden!«
    »Du kannst Piligrim doch nicht immer noch verargen, dass er damals nicht mit umgekommen ist. Er hat Milan doch nicht im Stich gelassen! Im Gegenteil, er ist auf Milans Befehl allein zurückgeritten, um dir die Nachricht zu bringen, dass …«
    »Ich hasse Piligrim nicht dafür, dass er überlebt hat, sondern dafür, dass Milan nicht überlebt hat!«
    »Hasse deinen toten Mann«, sagte Karl ungehalten. »Warum ist er nicht selbst zurückgeritten und dadurch der Katastrophe entkommen?«
    »Weil du ihn zum Anführer gemacht hattest!«, schrie Bertha. »Weil er ganz benebelt war von seinem Treueschwur zu dir und seiner Liebe zu seinem König! Und mit Roland wirst du es ganz genauso machen! Was immer ich in meinem Herzen trage, nimmst du mir weg!«
    »Die Liebe deines Sohnes kann ich dir nicht wegnehmen, Bertha. Du hast sie nie besessen.«
    Karls Schwester schwankte. Tränen strömten über ihr Gesicht. Der König seufzte und schüttelte den Kopf, betrübt darüber, dass er sich zu dieser Aussage hatte hinreißen lassen – auch wenn sie die Wahrheit war.
    »Sein ganzes Leben hast du ihn auf Distanz gehalten«, sagte er sanft. »Mir ist ja klar, warum du es getan hattest – du wolltest denselben Schmerz nicht noch einmal erleben, sollte er dir einst genommen werden. Doch genau dadurch hast du ihn verloren, Bertha. Aber vielleicht ist es noch nicht zu spät. Rede mit ihm, solange du noch kannst. Bald wird er ein verheirateter Mann und Mitglied der Paladine sein, und dann wird er dein Haus nur noch als dein Gast betreten und nicht mehr als dein Sohn. Rede mit ihm; und glaub nicht, dass ich deinen Schmerz nicht im tiefsten Herzen verstehe …«
    »Gar nichts verstehst du!«, schrie Bertha. »Gar nichts! Wir sind alle nur Steine auf deinem Spielbrett. Steine, Karl, Steine! Und der härteste von allen ist der Stein, zu dem du dein Herz hast werden lassen!«
    IBANETA-PASS

    Zwei Tage nach dem Bankett auf Burg Roncevaux brach die von Ganelon geleitete Reisegruppe auf. Eine wütende Arima war Teil davon. Sie war nicht freiwillig dabei.
    Am ersten Reisetag schaffte es die Gruppe gerade einmal bis kurz vor das Nordende des Passes. Das Lager wurde abseits der Straße aufgeschlagen. Arima stand in dem Zelt, das man für sie errichtet hatte, als sich Zorn und Enttäuschung plötzlich in ihr Bahn brachen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich zu einem Hämmern, das ihr fast die Luft abschnürte. Ein paar Augenblicke lang starrte sie die Einrichtung des Zelts an: die Reisetruhen, die als Sitzmöbel dienten, die Öllampen, die es beleuchteten, die Teppiche, die den Boden bedeckten und als Polster auf den Truhen lagen, das Schlaflager aus Decken und einem Haufen frisch gemähten Grases in der Ecke hinter einem Vorhang … Dann stürzte sie sich auf die Truhen und riss die Teppiche herunter, trat das Lager mit wilden Fußtritten auseinander, riss eine der Öllampen von ihrer Kette und schleuderte sie quer durch den Innenraum, schlug auf die zusammengeschnürten Decken ein und fluchte wie die Tochter eines Hufschmieds, die ihren Liebsten gerade auf der Stallmagd

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