Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
ertappt hat. Arimas Zofe zog sich erschrocken in eine hintere Ecke der improvisierten Behausung zurück. Arimas Wutanfall dauerte so lange, bis nichts mehr im Zelt dort war, wo es ursprünglich gehangen, gelegen oder gestanden hatte, und wahrscheinlich hätte sie auch noch die Deckel der Truhen aufgerissen und alles herausgeworfen, was darin war und dann darauf herumgetrampelt, wenn sie nicht plötzlich in die entsetzten Augen ihrer Zofe geblickt hätte. Arimas Schultern sanken herab. Sie wandte sich ab und ließ sich schwer auf eine der Truhen fallen.
Doch ihr Zorn war noch nicht verraucht. Als die Wut erneut in ihr emporwallte, stand sie auf und stapfte nach draußen. In einigen Schritten Entfernung standen zwei Frankenkrieger Wache. Sie wandten dem Zelt demonstrativ den Rücken zu, aber Arima wurde sich bewusst, dass sie natürlich alles gehört hatten, was Arima gebrüllt hatte. Sie räusperte sich verlegen und sog gierig die kühl gewordene Abendluft ein. Vom Hauptteil des Lagers drang der Duft nach gebratenem und gekochtem Fleisch und von frischem, gewürztem Getreidebrei herüber. Die Koch- und die Wachfeuer erhellten einzelne Inseln mit goldenem Licht und ließen andere in tiefblauem Schatten untergehen. Arima hörte das dumpfe Klingen von Tonbechern, die aneinanderstießen, und spähte nach dem Geräusch aus. Sie erblickte eine hochgewachsene Gestalt vor dem Hintergrund eines der Feuer. Arima wurde noch verlegener, als sie erkannte, dass es Afdza Asdaq war, der ihrem Zelt ebenfalls so nahe stand, dass er jeden Fluch ausgezeichnet verstanden haben musste.
»Herrin?«, fragte Afdza.
»Was ist denn?«, stieß Arima hervor, die der ironische Tonfall in Afdzas Stimme erneut zur Weißglut brachte.
Afdza löste sich aus dem Schatten und kam heran. Er trug ein silbernes Tablett, das mit seiner reichen Dekoration aus der Ausrüstung der maurischen Delegation stammen musste. Ein Krug und ein Becher standen darauf, die leise aneinanderstießen, als er zu ihr trat. Der Duft des Getränks stieg ihr in die Nase.
»Honigwein?«, fragte sie.
Afdza nickte. »Soweit ich weiß, reicht bei euch ein junger Mann seiner Braut Honigwein, um sie milde zu stimmen, wenn sie in Rage gerät. Wie sagt man dazu? Ein Opfer zur Beschwichtigung?«
»Entweder willst du damit ausdrücken, dass du mich als deine Braut betrachtest, oder dass du mich für eine Furie hältst, der man Opfer bringen muss! Beides wäre eine Beleidung!«
»Oh«, sagte Afdza. »Es lag nicht in meiner Absicht, dich zu beleidigen. Wenn du gestattest, ziehe ich mich zurück, damit nicht auch noch mein Anblick dich beleidigt. Wenn ich mein ungehobeltes Auftreten in irgendeiner Form wiedergutmachen kann, lass es mich wissen.« Er wandte sich um und schritt davon.
»So war das nicht gemeint«, knurrte Arima.
Afdza machte auf der Stelle kehrt und kam wieder zu ihr. »Nein?«, fragte er und lächelte über das ganze Gesicht. »Dann nimmst du eine einfache Entschuldigung eines Tollpatsches an, der es nicht besser wusste, Herrin?«
»Ich nehme überhaupt keine Entschuldigung an! Aber den Honigwein akzeptiere ich.«
Afdza verbeugte sich und bot ihr das Tablett an. Sie nahm den Becher und trank. Der Honigwein war mit erhitztem Quellwasser versetzt, das ihm etwas von seiner dicklichen Süße nahm, und glättete mit seinem Nachgeschmack nach Kräutern die Wogen, die in ihrem Herzen schäumten. Afdza stand da und betrachtete sie.
»Ist das normal, dass ein Mann eine Frau bedient?«, fragte Arima bissig. »Ich dachte, in euren Ländern wäre es umgekehrt – die Männer die Herren, die Frauen die Mägde?«
»Keine Frau kann je die Dienerin eines Mannes sein«, erklärte Afdza. »Spätestens, wenn die Liebe von ihm Besitz ergreift, wird sie zur Herrin und er zum Knecht.«
Arima erkannte, dass sie das Gespräch in ein Fahrwasser gesteuert hatte, in dem in jeder Richtung Peinlichkeiten lauerten wie tödliche Klippen. Und die unverkrampfte Art und Weise, mit der Afdza auf das Thema eingegangen war, machte es noch schlimmer. Sie blickte in ihren Becher, ratlos, was sie als Nächstes sagen sollte. Ohne lange darüber nachzudenken, reichte sie Afdza den Honigwein.
Afdza trank, ohne ihren Blick ein einziges Mal loszulassen. Dann gab er den Becher zurück und verneigte sich. »Du erweist mir Ehre, Herrin.«
Eine Pause trat ein. Das leise Lächeln auf Afdzas Lippen ließ sie erneut die Narbe und die Augenbinde vergessen. Sie wand sich und suchte nach einem Gesprächsthema. Ihr
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