Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
Rolands und dessen Eigenart, sie auf fröhliche Weise herumzukommandieren. Um sich geistig mit den dunklen Wolken zu befassen, die sich am Horizont von König Karls Welt zusammenzuballen schienen, reichte ihre Kraft jedoch nicht. Die meisten anderen versuchten so wie sie, die düstere Vorahnung zu verdrängen. Der Einzige, der die Situation aus tiefstem Herzen zu genießen schien, war Abt Styrmi. Die Ahnung von Zukunftsangst, die die sonst so robusten Franken ergriffen hatte, verschaffte ihm die Zuversicht, dass seine Schäfchen im Glauben nicht wanken würden. Nach der Theologie des alten Benediktinerabts war es nur zum Besten der Seelen, wenn die Gläubigen in einem Stadium von Unsicherheit und Düsternis verharrten.
Zuletzt waren nur noch drei Paladine am Hof: Roland, Remi und Ganelon. Bis dahin hatte Arima ein gutes Dutzend Ausritte mit Roland und ihrer kleinen Schar Anstandswächter unternommen. Mehrfach hatte Roland sie dorthin mitgenommen, wo ihr erster Ausritt hingeführt hatte. Es war die Stelle, an der die Paladine miteinander geübt hatten.
Die Landschaft bestand aus karger Heide, nur vereinzelt unterbrochen von Gebüsch und Birkenhainen oder von Tümpeln und moorigen Flächen. Das Gelände war ebenso ideal für Wettrennen zu Pferde wie für Kampfspiele und Leibesübungen. Arima hatte beim ersten Mal die Augen verdreht, als Roland ihr das Ziel angekündigt hatte. Seine Schilderungen, wer wem in den Wettkämpfen einen Zahn ausgeschlagen oder eine blutige Nase verpasst hatte, interessierten sie nicht im Mindesten. Doch dann hatte Roland ihr stattdessen den Eingang eines Fuchsbaus gezeigt, und kaum hatten er und Remi etwas Fleisch und Knochen auf den Boden gelegt, war eine Handvoll junger Füchse herausgepurzelt, die sich über die Gabe hermachten.
Die Füchse waren Waisen. An einem der ersten Übungstage hier heraußen war die Mutter der Welpen plötzlich zwischen den Beinen der Pferde hindurchgeschossen. Roland hatte am schnellsten reagiert und die rennende Füchsin mit einem blitzschnellen Pfeilschuss auf den Boden genagelt. Erst später hatten sie den Bau entdeckt. Comes Gerold hatte erklärt, dass die kleinen Füchse nun in der Verantwortung Rolands lägen, der ihre Mutter getötet hatte. Zweifellos hatte Gerold gemeint, dass Roland die Welpen ebenfalls töten sollte, um ihnen den Hungertod zu ersparen. Doch Roland hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Kleinen durchzubringen, und sich auch nicht um den Spott seiner Waffenbrüder gekümmert.
Jedes Mal, wenn Arima sah, wie Roland mit den kleinen Füchsen, die absolut zutraulich geworden waren, spielte, fühlte sie auf einmal in all der Trauer um Afdza so etwas wie einen Sonnenstrahl in ihrem Herzen. Sein warmes Licht ging von Rolands unerwarteter Sanftheit aus. Wer hätte vermutet, dass der Paladin es nicht übers Herz brachte, einen Wurf kleiner Füchse zu töten, sondern sich stattdessen mit ihnen anfreundete? Unvermittelt spürte sie, wie gut es tat, dass der Frankenkrieger da war, wie froh sie war, dass er sie aus ihrer seelischen Dunkelheit gezerrt hatte … und wie wohl es ihr tat, dass er ihr Freund war. Die Vorstellung, seine Frau zu werden, hatte in den letzten Tagen und Wochen einiges von ihrem Schrecken verloren.
Nach einiger Zeit wurden die Anstandswächter, die sie begleiteten, immer weniger. Niemand kümmerte sich groß darum, und wenn doch, dann dachten sich die meisten vermutlich, dass Arima und Roland einander ohnehin versprochen waren. Außerdem war Roland der Neffe und Arima das Mündel von König Karl, und wenn dieser keine Probleme damit hatte, dass eine junge Frau und ein junger Mann so gut wie ohne Begleitung in der Weltgeschichte herumritten, dann konnte es dem Rest der Menschheit sowieso egal sein. Karl wiederum, dessen war sich Arima sicher, beruhigte sein schlechtes Gewissen mit der Vorstellung, dass sich zwischen Arima und ihrem Bräutigam mehr als nur Sympathie anzubahnen schien.
Dies war auch der Fall, bis zu dem Tag, an dem Roland Arima zum ersten Mal küsste. Die Ohrfeige, die sie ihm dafür geben wollte, hatte der junge Krieger vorausgeahnt und fing ihre Hand ab. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass sie im nächsten Moment einen Fuß hinter eine seiner Fersen hakte und ihm das Bein wegzog. Roland fiel auf den Rücken. Einen Augenblick starrte er sie an, und in seinen Augen blitzte eine derartige Wut auf, dass sie erwartete, er würde jeden Moment aufspringen und auf sie losgehen. Dann schüttelte er sich und
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