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Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Polizist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Winters
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vergewissere mich, dass meine Balken noch da sind. »Nico?«
    »Ja. Ich bin noch dran.«
    »Also – verstehst du?«
    Ich fahre nach Norden, immer weiter nach Norden, über die Staatsgrenze. Willkommen in New Hampshire. In Freiheit leben oder sterben.
    »Ja«, sagt Nico, eine Pause, um langsam Zigarettenrauch auszuatmen. »Ich verstehe.«
    »Derek wird höchstwahrscheinlich den Rest der Zeit in dieser Einrichtung verbringen.«
    » Okay , Henry«, sagt sie, als würde ich jetzt zu sehr darauf herumreiten. »Ich hab’s kapiert. Wie war’s mit Alison?«
    »Was?«
    »Wie sieht sie aus?«
    »Äh … gut«, sage ich. »Sie sieht richtig gut aus.«
    Und dann geht das Gespräch irgendwie in eine andere Tonlage über, sie erzählt mir, wie sehr sie Alison immer gemocht hat, und wir tauschen Geschichten aus alten Zeiten aus: wie wir aufgewachsen sind, unsere ersten Tage bei Großvater, wie wir uns dann später mit unseren Freundinnen und Freunden im Keller herumgedrückt haben. Ich rolle an der Landschaft vorbei, und eine Zeit lang unterhalten wir uns so wie früher, zwei Kinder, Bruder und Schwester, die wirkliche Welt.
    Als wir auflegen, bin ich fast schon zu Hause, ich fahre in den südlichen Teil der Metropolregion von Concord, und da mein Handysignal immer noch stark ist, versuche ich’s mit einem weiteren Anruf.
    »Mr. Dotseth?«
    »Hey, mein Junge. Ich hab das mit Detective Andreas gehört. Du lieber Himmel.«
    »Ich weiß. Ich weiß. Hören Sie, ich werde mich da noch mal umschauen.«
    »Umschauen? Wo?«
    »In dem Haus an der Bow Bog Road. Wo wir gestern einen Verdächtigen in dem Hänger-Fall festnehmen wollten.«
    »Ja, gute Festnahme. Nur dass ihr den Burschen erschossen habt.«
    »Ja, Sir.«
    »Hey, haben Sie das mit diesen Pappnasen in Henniker gehört? Ein paar Kids sind mit so einem Tandemrad rumgefahren und haben einen Rollkoffer an einem Bungee-Seil hinter sich hergezogen. Die Staatspolizei hält sie an, und der Koffer ist voller escopetas – diese kleinen mexikanischen Schrotflinten. Die Kids sind doch echt mit Schusswaffen im Wert von 50.000 Dollar durch die Gegend gekurvt.«
    »Hm.«
    »Nach heutigen Preisen jedenfalls.«
    »Hm. Also, Denny, ich fahre jetzt zu diesem Haus und schau mich da noch mal um.«
    »Was für ein Haus war das noch gleich?«
    Die Tatort-Absperrung bei J.T. Toussaints hässlichem kleinen Haus ist ungeschickt und planlos ausgeführt worden. Ein dünner gelber Zellophanstreifen zieht sich in einer Abfolge schlaffer, flatternder U s von einem Verandapfosten zum nächsten, dann zu einem der herabhängenden Äste der Eiche und von dort über die Rasenfläche zum Fähnchen am Briefkasten. Überall nur lose befestigt, halb rutschend, vom Wind gepeitscht, als spielte es keine Rolle, als wäre es die Dekoration für eine Geburtstagsparty.
    Angeblich ist dieses Haus nach der gestrigen Schießerei von einem Team von Streifenpolizisten gesichert und vorschriftsgemäß durchsucht worden, aber da habe ich so meine Zweifel, erstens wegen der lustlosen Tatort-Absperrung, zweitens weil im Innern nichts bewegt worden zu sein scheint. Toussaints ramponierte und fleckige Wohnzimmermöbel stehen alle noch genau an derselben Stelle wie gestern. Man kann sich leicht vorstellen, wie etwa Officer Michelson, ein Sandwich mit Ei und Schinken essend, durch die vier kleinen Zimmer des Hauses schlendert, Sofakissen hochhebt und wieder fallen lässt, in den Kühlschrank schaut, gähnt und Feierabend macht.
    Sechs dicke Blutflecken bilden ein schwarzes und rostrotes Archipel auf dem Teppichboden des Wohnzimmers und dem Holzboden der Diele. Mein Blut, aus meinem Auge; das von Toussaint, aus der Schnittwunde an seiner Stirn und den vielen Schusswunden, die ihn getötet haben.
    Vorsichtig steige ich über das Blut hinweg, bleibe in der Mitte des Wohnzimmers stehen und drehe mich langsam im Kreis, unterteile das Haus innerlich in Quadranten, wie Farley und Leonard es empfehlen, und beginne dann mit einer echten Durchsuchung. Ich durchkämme das Haus Zentimeter für Zentimeter, krieche auf dem Bauch, wenn nötig, zwänge meinen Körper ungelenk ganz unter Toussaints Bett. Ich hole eine Trittleiter aus dem vollgestopften Schrank und steige hinauf, um ein Loch durch die fadenscheinigen Kassetten der Decke zu stoßen, finde in dem Kriechraum jedoch nichts als Isolationsmaterial und uralte, geheime Staubarsenale. Ich durchsuche Toussaints Schlafzimmerschrank sorgfältig – wonach eigentlich genau? Nach einem Fach mit

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