Der letzte Polizist: Roman (German Edition)
schicken Ledergürteln, von denen einer fehlt? Einem Plan von der Herrentoilette des McDonald’s auf der Main Street? Ich weiß es nicht.
Wie auch immer – Hosen, Hemden, Overalls. Zwei paar Stiefel. Nichts.
Eine fünfprozentige Chance, nach Alisons Einschätzung. Fünf Prozent.
Eine kleine Tür neben der Speisekammer öffnet sich zu einer kurzen Betontreppe ohne Geländer. Ein düsterer Keller, eine einzelne Glühbirne mit Zugschnur. Gegenüber von einem riesigen ausrangierten Boiler ist das Nest des Hundes: ein Kissen als Schlafplatz, eine Sammlung zerkauter Gummispielzeuge, eine sauber ausgeleckte Futterschüssel, eine weitere Schüssel mit einer nur ein paar Millimeter tiefen Pfütze schmutzigen Wassers.
»Armes Ding«, sage ich laut, und dann ist er plötzlich da, Houdini, steht wie herbeigezaubert am Kopfende der Treppe, ein winziger, struppiger Mopp von einem Hund, die gelben Zähne gebleckt, große Augen, weißes, grau gesprenkeltes Fell.
Was soll ich tun? Ich finde ein wenig Frühstücksspeck, bereite ihn ihm rasch zu, und während Houdini frisst, sitze ich am Küchentisch und stelle mir vor, dass Peter Zell mir gegenübersitzt, die Brille neben sich auf dem Tisch, den Blick auf seine kleine, delikate Aufgabe konzentriert, behutsam das zermahlene weiße Innere einer Schmerztablette durch die Nase einzuziehen.
Und dann fällt mit lautem Knall die Haustür zu, und als ich aufspringe, kippt mein Stuhl um und schlägt mit einem zweiten Knall auf den Boden, Houdini schaut hoch und bellt, und ich laufe durchs Haus, so schnell ich kann, reiße die Tür auf und rufe: »Polizei!«
Nichts, Stille, weiße Rasenfläche, graue Wolken.
Ich sprinte zur Straße, verliere das Gleichgewicht und finde es wieder, schlittere den letzten Meter wie auf Skiern dahin. »Polizei!«, noch einmal, erst in die eine Richtung und dann in die andere, schwer atmend. Wer immer es war, er ist weg. Er war hier, die ganze Zeit, mit mir im Haus, oder er ist hinein- und wieder herausgeschlüpft, auf der Suche nach dem, wonach ich suche, was immer es sein mag, und jetzt ist er weg.
»Mist«, sage ich leise. Ich drehe mich um und schaue auf den Boden, versuche, die Fußabdrücke des Eindringlings im Schnee und Matsch von meinen zu unterscheiden. Große Schneeflocken taumeln herab, immer eine nach der anderen, als hätten sie vorab vereinbart, sich abzuwechseln. Mein Herzschlag verlangsamt sich allmählich wieder.
Houdini steht auf der Türschwelle und leckt sich die Lefzen. Will mehr Futter.
Moment mal. Ich lege den Kopf schräg, mustere das Haus, den Baum und die Rasenfläche.
»Moment.«
Wenn Houdini unten beim Boiler wohnt, was ist dann in der Hundehütte?
Die Antwort ist einfach: Tabletten. Tabletten und eine Menge anderer Sachen.
Braune Versandtaschen voller Pillenfläschchen, wobei jedes Fläschchen mehrere Dutzend Tabletten mit dreißig oder sechzig Milligramm enthält. In jede Tablette ist der Name des Medikaments oder des Herstellers eingestanzt. Die meisten Tabletten sind MS Contins, aber es gibt auch noch andere: Oxycontin, Dilaudid, Lidocain. Alles in allem sechs dicke Umschläge mit jeweils Hunderten von Tabletten. Ein kleiner Karton ist mit kleinen weißen Wachspapieren gefüllt; ich finde einen Pillenzerkleinerer, wie man ihn in der Drogerie bekommt; und in einer anderen Schachtel, eingepackt in einen Plastikbeutel im Innern einer Market-Basket-Papiertüte, eine kurzläufige automatische Pistole, die in der Welt von heute etliche tausend Dollar wert sein dürfte. Da sind Fläschchen mit dunklen Flüssigkeiten und mehrere Dutzend einzeln in zerknittertem Plastik verpackte Spritzen. Eine andere Market-Basket-Tüte enthält Bargeld, dicke Bündel von Hundert-Dollar-Scheinen.
Zweitausend. Dreitausend.
Nach fünftausend höre ich auf zu zählen. Meine Hände zittern, sodass ich nicht alles zählen kann, aber es ist eine Menge.
Dann schleppe ich mich wieder zum Wagen, um eine Rolle Absperrband zu holen, und ich wickle es um alles herum, ziehe es stramm und zurre es ordentlich fest. Houdini trabt neben mir her ums Grundstück, bleibt dan n hechelnd an meiner Seite stehen, und ich fordere ihn nicht auf, in den Impala zu springen, aber ich hindere ihn auch nicht daran.
»Stretch. Mein Bruder. Du wirst es nicht glauben.« McGully ist am Fenster, es steht einen Spaltbreit offen, ein süßer, schwerer Geruch liegt im Raum. »Also, so ein paar Witzbolde in Henniker mit Zehngangrädern ziehen einen Rollkoffer hinter sich her
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