Der letzte Polizist: Roman (German Edition)
…«
»Schon gehört.«
»Oh«, sagt er. »Verdirb’s mir ruhig.«
»Rauchen Sie Marihuana?«
»Ein bisschen, ja. War eine harte Woche. Ich habe jemanden erschossen, weißt du noch? Willst du auch?«
»Nein, danke.«
Ich erzähle ihm von meinem Fund in Toussaints Haus, erzähle ihm, wie ich darauf gekommen bin, dass mehr an der Geschichte dran ist, viel mehr. Er hört mit glasigen Augen zu und nimmt dabei hin und wieder einen tiefen Zug aus seinem winzigen, selbst gedrehten Joint, bläst Rauch zum Fenster hinaus. Culverson ist nirgends zu sehen, Andreas’ Schreibtisch ist leer, der Monitor zur Wand gedreht, das Telefon ausgestöpselt. Es fühlt sich an, als wäre er schon seit Jahren leer.
»Der Dreckskerl hat also gelogen«, lautet McGullys Schlussfolgerung. »Hätte ich dir gleich sagen können. Er ist ein Drogendealer, er hat seinen Kumpel abhängig gemacht, und dann hat sein Kumpel sich umgebracht.«
»Aber es stimmt, dass es Zell war, der überhaupt erst mit den Drogen zu Toussaint gekommen ist. Er hat den Rezeptblock seiner Schwester gestohlen.«
»Aha. Hm.« Er grinst, kratzt sich am Kinn. »Ach, warte mal – weißt du was? Ist doch scheißegal.«
»Jep«, sage ich. »Guter Punkt.«
»Hey, ist das der Köter vom Tatort?«
»Vielleicht …«, setze ich an, und McGully sagt: »Vielleicht was?«, und jetzt marschiere ich energisch hin und her, und der Hund marschiert ebenfalls, er folgt mir auf Schritt und Tritt. »Vielleicht läuft die Sache so: Im Juni kommt Peter mit den Tabletten zu Toussaint. Sie hängen zusammen rum, sie dröhnen sich zu, und als Peter dann ertappt wird und aufhört, macht J.T. allein weiter. Vielleicht hat er irgendwann angefangen, den Überschuss zu verkaufen, und dann hat er sich an die Kohle gewöhnt, er hat sich einen Kundenstamm aufgebaut. Also sucht er sich eine neue Quelle.«
»Ja!«, ruft McGully überschwänglich und schlägt mit der Faust auf den Tisch. »Wahrscheinlich dieselbe Person, die versucht hat, dich mit deinen Schneeketten zu ermorden.«
Ich sehe ihn an, und er macht sich eindeutig über mich lustig. Ich setze mich wieder hin.
Sinnlos, McGully von der zuschlagenden Tür im Haus an der Bow Bog Road zu erzählen. Er wird sagen, dass ich mir das alles bloß einbilde oder dass es ein Geist war, und ich weiß, dass beides nicht stimmt. Jemand wollte verhindern, dass ich diese Drogen finde, und es war nicht J.T . Toussaint, denn der liegt tot in der Leichenhalle im Keller des Concord Hospital.
Houdini schnüffelt unter Andreas’ Schreibtisch herum und lässt sich dort nieder, um ein Nickerchen zu machen. Mein Handy klingelt.
»Hallo? Detective Palace?«
Es ist Naomi Eddes, und sie klingt nervös, und als ich ihre Stimme höre, werde auch ich nervös, wie ein kleiner Junge.
»Ja. Ich bin’s. Hallo.«
Ich spüre, dass McGully mich ansieht, deshalb stehe ich auf und gehe ans Fenster.
»Was ist los?«
»Mir …« Das Handy knistert eine Sekunde lang, und angesichts der Möglichkeit, dass die Verbindung unterbrochen worden sein könnte, macht mein Herz vor Schreck einen Sprung.
»Ms. Eddes?«
»Ich bin noch dran. Mir … mir ist da etwas eingefallen, was Ihnen bei Ihrem Fall vielleicht helfen könnte.«
2
»Guten Abend«, sagt sie, und ich sage: »Guten Abend«, und dann sehen wir uns ein paar Sekunden lang an. Naomi Eddes trägt ein knallrotes Kleid mit einer senkrechten Leiste schwarzer Knöpfe vorn in der Mitte. Ich sehe bestimmt schrecklich aus. Ich wünschte, ich wäre noch mal kurz nach Hause gefahren, um statt meiner Dienstkleidung – graues Jackett und blaue Krawatte – etwas Passenderes für ein Dinner mit einer Lady anzuziehen. Aber die Wahrheit ist, meine Jacketts sind alle grau, meine Krawatten alle blau.
Eddes wohnt in einem Viertel in Concord Heights, südlich der Airport Road, eine Neubausiedlung, in der alle Straßen nach Früchten benannt sind und in der die Asteroi den-Rezession mitten in der Bauphase zugeschlagen hat. Sie wohnt in der Pineapple Street, und alles westlich von Kiwi ist nur halb fertig: nackte Holzrahmen wie ausgegrabene Dinosauriergerippe, halb gedeckte Dächer, verwüstete Innenräume, niemals benutzte Küchen, aus denen man jedes Stück Kupfer und Messing herausgeholt hat.
»Sie können nicht reinkommen.« Naomi Eddes tritt auf die vordere Veranda heraus, ihren Cabanmantel über dem Arm, und zieht sich einen Hut über den kahlen Kopf. Es ist ein Hut, wie ich ihn noch nie gesehen habe, eine Art Trilby für
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