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Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Polizist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Winters
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und erzähle ihm, dass ich den Fall gelöst habe.
    »Den Hänger, meinst du?«
    »Ja. Und Ihren Fall auch. Eddes.«
    »Was?«
    »Ihren Fall auch«, wiederhole ich. »Derselbe Mörder.«
    Ich lege ihm die ganze Sache dar, dann entsteht eine lange Pause, das Funkgerät knistert in der Stille, und er sagt, da hätte ich aber wirklich eine Menge Polizeiarbeit geleistet.
    »Ja.«
    Er sagt dasselbe, was ich letzte Woche zu McConnell gesagt habe: »Eines Tages wirst du einen großartigen Detective abgeben.«
    »Jep«, sage ich. »Klar.«
    »Kommst du ins Präsidium zurück?«
    »Nein. Heute nicht.«
    »Gut«, sagt er. »Lass es bleiben.«

4
    Selbst im friedlichsten polizeilichen Einsatzgebiet kommt es hin und wieder zu einer jener blindwütigen Gewalttaten, bei denen jemand ohne ersichtlichen Grund am helllichten Tag auf einer belebten Straße oder einem Parkplatz ermordet wird.
    Das gesamte Concord Police Department war bei der Beerdigung meiner Mutter zugegen, und alle standen sie auf und nahmen Haltung an, als der Sarg hereingetragen wurde – vierzehn Mitarbeiter und sechsundachtzig Polizisten beiderlei Geschlechts in ihren blauen Uniformen, reglos wie Statuen, salutierend. Rebecca Forman, die Buchhalterin des Departments, eine stämmige Frau mittleren Alters mit grau melierten Haaren, vierundsiebzig Jahre alt, brach schluchzend zusammen und musste hinausgeführt w erden. Der Einzige, der sitzen blieb, war Professor Templ e Palace, mein Vater; er hing während des gesamten kurzen Gottesdienstes schlaff in seiner Bank, mit trübem Blick, vor sich hinstarrend wie ein Mann, der auf den Bus wartet. Sein zwölfjähriger Sohn und seine sechsjährige Tochter standen mit großen Augen links und rechts neben ihm. Er saß da, irgendwie gegen meine Hüfte gesackt, und wirkte eher verwirrt als gramgebeugt, und man konnte schon in diesem Moment erkennen – ich konnte es erkennen –, dass er es nicht schaffen würde.
    Rückblickend bin ich sicher, dass für meinen Vater, den Anglistik-Professor, nicht nur die schlichte Tatsache ihres Todes hart war, sondern auch die Ironie: dass seine Frau, die montags bis freitags von neun bis fünf in einem Polizeirevier hinter einer kugelsicheren Scheibe saß, an einem Samstagnachmittag auf dem Parkplatz eines Kaufhauses von einem Dieb ins Herz geschossen werden sollte.
    Nur um Ihnen einen Eindruck davon zu vermitteln, wie ni edrig die Kriminalitätsrate in Concord zu dieser Zeit war : Im fraglichen Jahr, 1997, war meine Mutter FBI -Akten zufolge die einzige Person, die dort getötet wurde. Also lag das Risiko, dass sie in diesem Jahr in Concord einem Mörder zum Opfer fallen würde, rückblickend etwa bei eins zu vierzigtausend.
    Aber so ist das eben: Ganz egal, wie gering die Wahrscheinlichkeit eines gegebenen Ereignisses ist, dieses Eins-zu-wie-viel-auch-immer muss irgendwann einmal eintreten, sonst wäre es keine Eins-zu-wie-viel-auch-immer-Wahrscheinlichkeit. Sondern null.
    Nach der Totenwache schaute sich mein Vater in der Küche um, Brille auf der Nase, die Augen groß und verwirrt, und sagte zu seinen Kindern: »Tja, also, was machen wir denn nun mit dem Abendessen?«, und er meinte nicht nur diesen Abend, sondern jeden, der noch kommen sollte. Ich lächelte Nico beklommen an. Die Uhr tickte. Er würde es nicht schaffen.
    Professor Palace schlief auf dem Sofa, außerstande, nach oben zu gehen und sich der Tatsache zu stellen, dass der Platz meiner Mutter im Bett leer bleiben würde, außerstande, ihren prall gefüllten Schrank durchzusehen. Ich machte das. Ich packte ihre Kleider zusammen.
    Außerdem hing ich ständig im Polizeirevier herum und bat den jungen Detective, der die Ermittlungen leitete, mir Bescheid zu sagen, wie es lief, was Culverson auch tat: Er rief mich an, als sie die im Kies des Parkplatzes gefundenen Fußabdrücke analysiert hatten; er rief an, als sie das von Zeugen identifizierte Fahrzeug aufspürten, einen silbernen Toyota Tercel, der nach der Tat in Montpelier abgestellt worden war. Als sie den Verdächtigen in Gewahrsam genommen hatten, kam Detective Culverson bei uns zu Hause vorbei, legte die Akten auf den Küchentisch und ging den Fall, die Beweiskette mit mir durch. Er zeigte mir alles, bis auf Fotos der Leiche.
    »Danke, Sir«, sagte ich zu Culverson, während mein Vater bleich und müde im Türrahmen der Küche lehnte und ebenfalls »Danke« murmelte. In meiner Erinnerung sagt Culverson: »Ich mache bloß meinen Job«, aber ich bezweifle, dass er wirklich

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