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Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Polizist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Winters
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vermutlich am Tag darauf, oder am folgenden Tag.
    Ich lade das Magazin wieder, schiebe es ein, sichere die Waffe und stecke sie ins Halfter zurück. Ich habe die gesamte Übung – das Magazin öffnen, die Patronen prüfen, es schließen – schon mehrmals gemacht, seit ich an diesem Morgen um halb acht aufgewacht bin.
    Peter Zell hatte seine Risikoabwägung schon Monate früher vorgenommen und daraufhin seinen großen Sprung gewagt; er hatte den gesamten Zyklus von Verlockung, Experiment, Sucht und Entzug durchlaufen, während die Wahrscheinlichkeit im Verlauf der Monate stetig wuchs. Naomi wagte ihren Sprung wie viele andere Menschen auch jedoch erst, als es offiziell war, als die Einschlagswahrscheinlichkeit geradewegs auf hundert Prozent schnellte. Millionen von Menschen in aller Welt beschlossen, in den Satellitenorbit zu gehen und dort zu bleiben, sich alles zu beschaffen, was sie nur in die Finger bekommen konnten – Dope, Heroin, Hustensaft, Lachgas-Ballons oder gestohlene Schmerztabletten aus dem Krankenhaus –, die Angst und den Schrecken auszublenden und in einer Welt, aus der das Konzept langfristiger Konsequenzen auf magische Weise verschwunden war, nur noch an ihr Vergnügen zu denken.
    Ich mache einen Zeitsprung in die Vergangenheit, zurück zum Somerset Diner, greife über den Tisch, nehme Naomis Hände in meine und bitte sie, mir die Wahrheit zu sagen, mir von ihrer Schwäche zu erzählen, es würde mir nichts ausmachen, ich würde mich so oder so in sie verlieben. Ich verstünde es.
    Hätte ich es verstanden?
    Mein Vater hat mir beigebracht, was Ironie ist, und hier liegt die Ironie darin, dass im Oktober, als es noch fifty-fifty stand, als es noch Hoffnung gab, Naomi Eddes diejenige war, die Peter Zell half, seine dämliche Sucht loszuwerden – die ihm so wirkungsvoll half, dass er sich durchkämpfte und clean blieb, selbst nachdem das Ende der Welt offiziell angekündigt worden war. Aber Naomi, deren Sucht tiefer saß, deren Sucht lebenslänglich war und nicht das Resultat einer kühlen Wahrscheinlichkeitsberechnung … Naomi war nicht so stark.
    Eine weitere Ironie: Anfang Januar war es nicht so einfach, sich Drogen zu beschaffen, schon gar nicht diejenigen, die Naomi brauchte. Neue Gesetze, neue Cops, die Nachfrage schoss in schwindelerregende Höhen, allüberall neue Lieferengpässe. Aber Naomi hatte gewusst, wohin sie gehen musste. Sie wusste es dank ihrer nächtlichen Gespräche mit Peter über seine noch nicht überwundene Versuchung: Sein alter Kumpel J.T. dealte immer noch, beschaffte sich immer noch Morphium in irgendeiner Form, irgendwoher.
    Also ging sie dorthin, zu dem gedrungenen, schmutzigen Haus an der Bow Bog Road, fing an, Drogen zu kaufen, fing an, Drogen zu nehmen, ohne es Peter zu sagen, ohne es irgendwem zu sagen, und die einzigen Leute, die es wussten, waren Toussaint und die Person, die sein neuer Lieferant war.
    Und diese Person – diese Person ist der Mörder.
    Im Dunkeln, in meinem Haus, als sie wie erstarrt im Türrahmen stand, hätte sie mir beinahe die ganze Wahrheit gesagt. Nicht nur die Wahrheit über ihre Sucht, sondern die Wahrheit über versicherbare Interessen und betrügerische Ansprüche, mir ist da etwas eingefallen, was Ihnen bei Ihrem Fall vielleicht helfen könnte . Wenn ich aufgestanden wäre, sie an den Handgelenken gefasst, sie geküsst und wieder ins Bett gezogen hätte, würde sie noch leben.
    Wenn sie mir nie begegnet wäre, würde sie noch leben.
    Ich spüre das Gewicht der Schusswaffe im Halfter, aber ich nehme sie nicht heraus, nicht noch einmal. Sie ist bereit, sie ist geladen. Ich bin bereit.
    Mein Impala rollt über den gigantischen Parkplatz, vom Schmelzwasser schwarz gefärbter, nasser Asphalt. Es ist neun Uhr dreiundzwanzig.
    Es gibt nur noch eins, was ich nicht verstehe, nämlich warum . Warum sollte jemand so etwas tun – warum sollte dieser Mensch diese Dinge tun?
    Ich steige aus dem Wagen und betrete das Krankenhaus.
    Ich muss den Verdächtigen ergreifen. Und noch mehr muss ich die Antwort erfahren.
    In der überfüllten Eingangshalle drücke ich mich hinter einer Säule herum, ein wenig gebeugt, um etwas kleiner zu wirken, das verbundene Gesicht wie ein Spion hinter dem Monitor verborgen. Ein paar Minuten später sehe ich den Mörder kommen, zielstrebig durchquert er den Raum, auf die Minute pünktlich. Es ist dringend, es ist wichtig, er hat im Keller eine Aufgabe zu erledigen.
    Gebeugt stehe ich in der Eingangshalle des

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